VT04 - Zwischen Leben und Sterben
Sie zankten sich von Anfang an, und das sehr laut und den ganzen Tag. In einem Wutanfall hatte van der Groot sie hinausgeschmissen.
Um den Schwulen aus Ghana tat es ihm im Nachhinein leid, denn der Mann war ein echter Tausendsassa gewesen.
Acht Wochen länger hatte er zwei arbeitslose deutsche Lehrer ertragen. Van der Groot hatte sie nur engagiert, weil sie eine einzigartige Mischung aus naturwissenschaftlicher Ausbildung und handwerklichem Geschick nachweisen konnten. Der eine restaurierte alte Möbel, der andere reparierte seine Motorräder selbst. An sich mochte van der Groot keine Deutschen; schon aus sportlichen Gründen nicht.
Die Zusammenarbeit lief anfangs auch erstaunlich gut, wenn man davon absah, dass die Deutschen sich vom ersten Tag an an seinem Haschisch schadlos hielten. Doch die beiden erwiesen sich auf die Dauer einfach als zu neugierig. Sie wollten wissen, was genau für eine Arbeit eigentlich auf sie zukäme, argwöhnten, als van der Groot sich bedeckt hielt, dass er Illegales im Schilde führte, und irgendwann ertappte er sie dabei, wie sie seinen Laptop ausspionieren wollten. Dann war es vorbei.
Und jetzt also der Kasache und der Kolumbianer; ein depressiver Alkoholiker und ein geschwätziger Kleptomane. Unerträglich.
Van der Groot ging ins Haus und schloss die Türen seines Großhandels für Aquariumsfische ab. In der großen Halle, vor einer Sprossenwand und zwischen zwei Ledersäcken, legte er zwei Holzbretter auf zwei Böcke, rollte seinen Bürosessel davor und warf seinen Laptop an: Wieder durchforstete er seine Datei mit den eingegangenen Bewerbungsmails.
Exakt tausendzweihundertneunundfünfzig Bewerber hatten, auf sein Inserat reagiert. Sieben hatte er als geeignet herausgefiltert, in eine Rangordnung gebracht und die ersten beiden eingestellt. Wenn er den schwulen Fußballprofi aus Ghana mitzählen wollte, hatten sechs sich inzwischen als Nieten herausgestellt.
Einer blieb noch übrig. Nummer Sieben. Falls der überhaupt noch Interesse haben sollte.
Ein gewisser Ingo Vranitzki aus Köln.
Wenn man den Angaben seiner Bewerbungs-Mail glauben wollte, brachte der Mann ziemlich gute Voraussetzungen mit. Leider aber auch drei entscheidende Nachteile. Erstens: Eine Mitarbeit kam für ihn nur in Frage, wenn van der Groot auch seinen Freund und Teilhaber eines Tierpräparatorunternehmens engagieren würde. Über den Freund und Teilhaber sonst keine weiteren Angaben. Zweitens: Eine Mitarbeit kam für ihn nur in Frage, wenn van der Groot auch seine Freundin engagieren würde. Über die Freundin keine Angabe, außer dass sie hervorragend kochen und organisieren konnte. Drittens: Er war Deutscher. Es blieb zu befürchten, dass die beiden Menschen, mit denen er sich offensichtlich untrennbar verbunden fühlte, ebenfalls Deutsche waren: Nachteil Nummer vier und Nachteil Nummer fünf.
Es war spät und Jan van der Groot müde. Er war auf Hilfe angewiesen, wenn er Milliardär werden wollte. Und nichts Geringeres hatte er vor. Also beschloss er, sich den Kölner und seinen Anhang näher anzuschauen. Er schrieb Vranitzki eine E-Mail, in der er seinen Besuch in Köln für den folgenden Feiertag ankündigte. Danach begann er seine Laboreinrichtung auszupacken.
Zwei Stunden später stellte er die Arbeit übermüdet ein. Ein letzter Blick auf seinen Blackberry ergab, dass der Kölner schon geantwortet hatte. Verwundert las van der Groot die Mail: Vranitzki bedauerte, dass er die nächsten Wochen entweder unterwegs oder mit der Abarbeitung einer Menge Aufträge beschäftigt sein würde. Er schlug ein Treffen Anfang November in Aachen vor. Dort wollte er ein Konzert besuchen. Sollte Doktor Unsterblich – so redete der Mann ihn an – nun doch an seiner Hilfe interessiert sein, würde man dann schon sehen, ob sich noch etwas machen ließe.
Nun, wenigstens schien der Kerl musikalisch zu sein. Van der Groot bestätigte sein Einverständnis und bat um genauer Angaben über Ort und Zeit.
Kaum hatte er die Mail ins Netz geschickt, orgelte sein Handy los.
Van der Groot runzelte misstrauisch die Stirn – eine unterdrückte Nummer. Seine geschiedene Frau? Die lebte in New York, und ihr war es zuzutrauen, dass sie die Zeitverschiebung ignorierte und mitten in der Nacht anrief. Er nahm ab. »Van der Groot?«
»Nick hier, wie geht es dir, alter Junge?«
Nick Teller! Van der Groot hatte die Hoffnung schon aufgegeben, je wieder von ihm zu hören.
»Es geht mir bestens. Ich dachte schon, der Orkus hätte dich
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