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VT04 - Zwischen Leben und Sterben

VT04 - Zwischen Leben und Sterben

Titel: VT04 - Zwischen Leben und Sterben
Autoren: Jo Zybell
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schwachsinnig.
    Von der Wagentür aus zeigte die Beifahrerin ihm den nach oben gestreckten Mittelfinger. »Kannst du nicht aufpassen, du Arsch?« Sie hatte semmelblondes wildes Haar, schwarz geschminkte Lippen und war in rot-schwarze Lumpen gekleidet. Sie sprang zurück in den Wagen und schlug die Tür zu. Der Fiat raste in den Parkplatz hinein. Percival erkannte ein Kölner Kennzeichen.
    Zwei Vampire halfen ihm hoch. Während sie das taten, beschimpften sie das Trio im Fiat. »Verfluchte Firegods-Jünger!«, zischte ein Mädchen. Percival bedankte sich schwer atmend und wankte zum Schulhof. Allmählich dämmerte ihm, worauf er sich eingelassen hatte.
    ***
    Zwei Kerle in schwarzem Leder, die es an Größe und Gewicht beinahe mit Lupo hätten aufnehmen können, musterten jeden, der sich der Tür näherte. Erst als einer von ihnen nickte, schoben Eusebia und Knox sich an ihnen vorbei durch den Eingang. Lupo folgte ihnen. Er war ein bisschen aufgeregt: Noch nie hatte er Carlo und seinen göttlichen Musikern Auge in Auge gegenüber gestanden.
    Sie betraten einen Heizungskeller. Über die Heizkessel hatte man schwarze Leintücher gebreitet, die Wände waren mit schwarzem Samttuch verhangen und mit Pentagrammen und umgedrehten Kreuzen aus rotem Metall geschmückt. Auf einem mit schwarzem Samt verhüllten niedrigen Tisch in der Mitte des Raumes brannte ein fünfarmiger Leuchter.
    Hierher hatten Carlo und die Musiker der Firegods sich zurückgezogen, um sich »mental und rituell auf ihren Auftritt vorzubereiten«, wie Knox das genannt hatte. Lupo war Optimist und ging einfach mal davon aus, dass Knox nicht von einem Hirnmahl zu Orgelmusik sprach.
    Knox war sauer. Vor einer Stunde waren sie am Hauptbahnhof mit Doktor Unsterblich verabredet gewesen. Der Typ war nicht erschienen.
    Sie ließen sich in der Menschenmenge rund um den Tisch nieder. Pfeifen, Flaschen und Joints machten die Runde. Irgendjemand blies eine Panflöte, jemand schlug eine Trommel, und ein Musiker der Firegods fiedelte auf seiner Geige. Carlo und die Firegods hatten den harten Kern ihrer Fans zu sich geladen. Eine angespannte und zugleich feierliche Stimmung herrschte.
    Lupo bekam eine Gänsehaut nach der anderen. Er saugte an allem, was man ihm von rechts oder links reichte – Flaschen, Pfeifen, Joints. Warmer dicker Nebel wallte bereits durch seine Hirnwindungen. Eusebias Augen glänzten und hingen an Carlo.
    Carlo, dessen bürgerlichen Namen nicht einmal Knox kannte, sagte ein paar Sätze zu seinen Fans. Lupo, der kaum Englisch sprach, verstand nur: Willkommen, Heil, Hölle und Danke.
    Carlo war breit gebaut und hatte einen großen Quadratschädel. Sein Gesicht hatte er sich dunkelrot geschminkt. Seine vollen Lippen waren tief violett. Auch um die Augen herum prangten violette Flecken in Form von Feuerflammen.
    Sein kahler Schädelwar blutrot gefärbt. Über dem Scheitel kreuzten sich zwei goldene Blitze. Er trug einen schwarz-violetten Lederanzug ohne Ärmel. Die Hose war so eng, das sein geteiltes Skrotum und sein großer Penis sich deutlich unter dem Leder abzeichnete.
    Jemand reichte Carlo eine in schwarzes Leder gekleidete Schreibkladde. Er schlug eine der letzten Seiten auf und las. Lupo verstand kein Wort. »Was sagt er da?«, flüsterte er Knox ins Ohr. Das Sprechen fiel ihm nicht mehr ganz leicht, denn seine Zunge fühlte sich an wie ein kleiner Sandsack.
    »Er liest einen Text aus dem neusten Album der Firegods«, flüsterte Knox. Murmelnd übersetzte er seinem kleinen Freund die Worte Carlos, so gut er konnte. »Wir warten auf einen anderen Morgen… auf den Morgen der zerbrochenen Schädel… auf den Morgen der blutigen Gesichter…«
    Stimmen und Schritte näherten sich, und ein Geräusch, das Lupo nicht deuten konnte. Carlo las weiter, und Knox übersetzte weiter. »… auf den Morgen, an dem sich giftige Schatten erheben werden… ja: Auf das Morgengrauen der Unmenschlichkeit warten wir… auf den Tag, der die Hölle auf Erden offenbart…«
    Fünf Männer in roten und schwarzen Lederkleidung drängten sich in den Raum. Die meisten mochten zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt sein, einer hatte bereits weißes Haar. Sie zerrten ein Mädchen herein, blond und hoch gewachsen – sein Mund war geknebelt, seine Hände gefesselt.
    Carlo blickte nur kurz auf, unterbrach die Lesung aber für keinen Augenblick. Knox fuhr fort zu übersetzen. »… und die ungeschminkte Herrschaft des Königs der Finsternis… und seiner mörderischen Kinder…
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