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VT04 - Zwischen Leben und Sterben

VT04 - Zwischen Leben und Sterben

Titel: VT04 - Zwischen Leben und Sterben
Autoren: Jo Zybell
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ihm auf und sank in den Dünensand.
    Das Kruzifix hinter der Bühne brannte noch immer. Die Firegods zelebrierten ihr erstes Stück wie eine Messe aus einem Paralleluniversum. Der Song hieß Pompeji und klang nach 9-11, Niagarafällen und Hiroshima zugleich. Stampfender Lärm dröhnte über den Strand, das Meer und die Dünen.
    Die Menge tobte. Dreißigtausend hatte es an den Kanalstrand von Ostende gezogen, hieß es. Nach weiteren drei Stücken begrüßte Carlo, der Frontmann, die Menge. »Reißt der Welt die Maske vom Gesicht!«, schrie er. »Verwandelt sie in das, was sie in Wahrheit ist – in die Hölle!« Pfiffe ertönten. Carlo schrie nur noch lauter.
    Während seines Statements wurden an allen sieben Scheiterhaufen Kreuze mit Puppen hochgezogen. Schnell brannten sie lichterloh. Carlo nannte die Namen irgendwelcher Politiker und Konzernbosse. Pfiffe und Buhrufe wurden lauter; vermutlich, weil eine Puppe den Papst darstellen sollte.
    Das nächste Stück kam, und als Carlo danach anfing, okkulte Phrasen zu dreschen, gab es die ersten Schlägereien zwischen Fans und Gegnern der Firegods. Kurz darauf stürmte belgische Polizei den Strand und löste das Konzert auf.
    Knox hatte sich zwischen die Dünen zurückgezogen und tippte die Antwort-Mail an Doktor Unsterblich. Es waren nur drei Sätze, die er schrieb; vermutlich die wichtigsten Sätze, die er in seinem Leben geschrieben hatte.
    ***
    Tansania, nordwestliches Bergland, Mitte Oktober 2009
    Merkwürdig: Als der Geleitschutz die hintere Tür des Geländewagens öffnete und der Außenminister ausstieg, dachte Charles Poronyoma daran, dass er höchstwahrscheinlich nie wieder einsteigen würde – und für einen Moment tat der Mann ihm Leid. Merkwürdig.
    Sie sammelten sich auf dem Fahrweg vor dem ersten Geländewagen: der Außenminister, sein Stellvertreter Charles Poronyoma, die Dolmetscher, ein Staatssekretär, der zehnköpfige Geleitschutz mit den Wildhütern, die etwa zwanzig Journalisten und die Politikerin aus Europa.
    Eine deutsche Ministerin.
    Ein gutes Omen, dass jemand aus dem verehrten Deutschland dabei war, fand Charles Poronyoma. Er hatte den Staatsekretär vor der Abfahrt zum letzten Mal nach dem Ressort der Ministerin gefragt – und es schon wieder vergessen. Er verzichtete darauf, ihn ein weiteres Mal danach zu fragen. Das hätte seine Autorität untergraben. Er wusste nur, dass die Deutsche seit Jahren für einen nicht unbeträchtlichen Geldstrom zwischen Deutschland und Tansania sorgte. Er schätzte die Politikerin sehr. Ohne sie würde er zu Weihnachten niemals das Richtfest seines Privatbunkers feiern können.
    Die Wildhüter gingen voran. Vor neun Stunden erst, mitten in der Nacht, hatte Charles Poronyoma mit ihrem Chef telefoniert. Dessen Nachrichten klangen so gut wie nunmehr seit drei Wochen jeden Tag: Die Tiere verhielten sich, als wollten sie in der Umgebung der Lichtung sesshaft werden.
    Besonders entzückt hatte Charles Poronyoma die Neuigkeit, die der Chef der Wildhüter vor zehn Tagen mitgeteilt hatte: Ein großer Silberrücken hatte den Anführer der Horde getötet und sein Harem übernommen. Der Wildhüter hatte von einem weißen Gorilla gesprochen, und dabei hatte seine Stimme vor Furcht gebebt.
    Das Gelände wurde steiler. In gedämpftem Tonfall plauderte Charles Poronyoma mit der Deutschen. Er erkundigte sich nach dem Wahlergebnis, nach dem Stand der Koalitionsverhandlungen, nach dem Tabellenstand der Bundesliga, nach den Absatzproblemen der deutschen Hersteller von Luxusautos und nach diesem und jenem.
    Hin und wieder überraschte er sie mit ein paar Brocken Deutsch. Sie lobte ihn höflich. Er lernte langsam, aber was er dazulernte, behielt er auch. Bodo und Fred waren geduldige Sprachlehrer.
    Manchmal drehte der Außenminister, der vor ihnen ging, sich um und bedachte seinen Stellvertreter mit einem freundlichen Blick. Es gefiel ihm natürlich, dass Charles Poronyoma den hochkarätigen Gast aus Mitteleuropa bei Laune hielt; und mit ihm den Geldstrom.
    Charles Poronyoma fragte sich, wen er wohl künftig bei ähnlichen Gelegenheiten mit lobenden Blicken beschenken würde, wenn alles vorbei war. Er wusste es noch nicht. Er wusste nur, dass er den Chef der Wildhüter zum Staatssekretär machen würde; falls alles gut ging. Charles Poronyoma war furchtbar aufgeregt.
    Der Besuch im Bergwald war gründlich vorbereitet worden; von Charles Poronyoma. Es ging darum, der Ministerin aus Deutschland ein paar Projekte zu präsentieren, in
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