VT04 - Zwischen Leben und Sterben
desinfizierte die Haut. »Und wieder macht unser kleines Unternehmen einen großen Schritt in die Zukunft«, sagte er und lächelte Lupo an, wie Ärzte manchmal ängstliche Patienten anlächeln.
Lupo war aber nicht ängstlich, er kicherte. »Vielleicht komme ich ins Fernsehen, wenn alles glatt geht.«
»Es wird alles glatt gehen«, sagte van der Groot. »Aber ins Fernsehen möchte ich lieber nicht.« Er stach zu, zog den Kolben zurück, und als Blut in die grüne Flüssigkeit quoll, schob er die Nadel ein Stück weiter in die Vene und spritzte das Serum.
Noch in der Nacht nach den Unfällen auf der Bundesstraße vor seiner Scheinfirma hatte van der Groot die Zelte in der deutschen Kleinstadt abgebrochen. Nicht nur die Einwohner und die Polizei waren auf ihn aufmerksam geworden, sondern auch die Presse; sogar die englische Presse. Im Licht der Öffentlichkeit an der Weiterentwicklung einer verbotenen Substanz arbeiten? Unmöglich.
Sie waren nach Amsterdam umgezogen. Nicht in sein Haus in der Altstadt – dort hätten die Pressegeier ihn schnell aufgestöbert – nein, in eine Lagerhalle im Yachthafen von Harlem. Sie gehörte van der Groots Onkel. Unter ihrem Dach gab es auch ein Büro und eine kleine Wohnung. Das Labor und die Fische hatte er nach und nach über die Grenze transportieren lassen.
Er zog die Spritze aus der Vene, Eusebia drückte eine Kompresse auf die kleine Wunde. »Hallo, Luzifer.« Lupo kicherte, sein Grinsen wirkte ein wenig debil. Er meinte den Professor. »Du bist Jesus«, wandte er sich mit schwerer Zunge an Knox. »Und jetzt fahren wir gemeinsam… erst in den… Himmel…« Die Augen fielen ihm zu, seine verwaschene Sprache war nur noch schwer zu verstehen. »… und dann in die Hölle…«
***
London, 2. September 2010
»Das ist der Mann.« Percival deutete auf den Monitor. Narben zogen sich über sein Kinn und seinen Hals. Fast vierzig Pfund hatte er verloren während der neun Wochen, die er in der Klinik verbracht hatte. Er war noch nicht der Alte, aber er war auf dem Wege, es wieder zu werden. Vorübergehend wohnte er in Leilas Apartment. »Er ist jünger auf diesem Bild, sicher, aber ich erkenne ihn wieder – die Locken, die Augen, das schmale Gesicht.«
Sie hatten sich auf die Internetseite der Berkeley University eingeloggt und die Doktoranden des Jahrgangs 1992 gefunden. »Biochemie«, murmelte Steelwalker. »Das passt ja.«
»Da war er schon Mediziner«, sagte Leila. »Und das passt auch.« Sie wandte sich an Percival. »Bist du ganz sicher, Tom? Der Name van der Groot ist nicht eben selten in den Niederlanden.« Sie streichelte Hagen, der winselnd neben ihr hockte. Seit dem Tod seines Herrchens wich er nicht mehr von Leilas Seite.
»Es ist der Mann, den ich in Aachen fast umgerannt habe. Es ist der Mann, den ich danach mit Vranitzki vor dessen Fiat gesehen habe. Und es ist der Mann, der mit Vranitzki diesen verdammten Pudel auf den ausgestopften Maulwurf gehetzt hat. Ich hab doch Augen im Kopf!«
Sie hatte ihn fast täglich in der Klinik besucht. Ohne Leila hätte er die Sepsis nicht überlebt.
»Und das hier ist Nick Teller.« Steelwalker deutete auf ein Foto zwei Reihen über van der Groots Bild. Er hatte sich damit abgefunden, dass sein Freund und Leila Dark ein Paar geworden waren. »Wir wissen inzwischen, dass Teller bei der NASA gearbeitet hat. Von 2006 bis 2008. Wahrscheinlich hat er nicht nur Daten, sondern auch den Wirkstoff selbst gestohlen. Wir wissen, dass er auch mit Joel Decker Kontakt hatte.« Nach den Ermittlungen Scotland Yards hatten Teller und van der Groot sich Mitte Oktober 2009 in Brüssel getroffen und seitdem mehrmals telefoniert.
»Haben deine Leute herausgefunden, wo er steckt?«, wollte Percival wissen.
Steelwalker machte eine Geste der Ratlosigkeit. »Er ist wie vom Erdboden verschwunden.«
Ähnliches musste man leider auch von van der Groot und dem Trio aus Köln sagen. Bei Nacht und Nebel hatten sie die Kleinstadt an der holländischen Grenze verlassen; gleich am Tag nach dem unheimlichen Zwischenfall mit dem Zwergpudel.
»Vermutlich sitzt van der Groot irgendwo in Amsterdam und experimentiert fröhlich weiter«, sagte Percival bitter.
Als er über dem Berg gewesen war, hatte er seine Recherchen von der Klinik aus wieder aufgenommen. Den Namen des angeblichen Zierfischgroßhändlers, bei dem Lupo und Knox angestellt waren, kannte er ja: Jan van der Groot. Eine Suchmaschine lieferte ihm Dutzende von van der Groots, unter ihnen einen
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