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VT04 - Zwischen Leben und Sterben

VT04 - Zwischen Leben und Sterben

Titel: VT04 - Zwischen Leben und Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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umrührte, fiel sein Blick auf den Kalender neben der Tür zum Schlafzimmer. Samstag, 22. August. Er konnte sich nicht erinnern, das Blatt in der Nacht bereits abgerissen zu haben. Unter dem Datum der Ausspruch eines Gentlemans namens Karl Kraus: Es genügt nicht, nichts zu sagen zu haben, man muss auch unfähig sein, es auszudrücken. Percival musste grinsen. »So viel zur schreibenden Konkurrenz in diesem Städtchen«, sagte er, nahm einen Schluck Kaffee, drückte die Zigarette aus und griff zur SUN.
    Vor fünfzehn Jahren hatte er angefangen, für dieses Blatt zu schreiben, kurz nach seinem siebenunddreißigsten Geburtstag. Eigentlich wollte Bluster, der Chefredakteur, ihn damals für die Kirchenredaktion gewinnen, doch die Anglikanische Kirche hatte Tom Percival, den frischgebackenen Priester, gerade vor die Tür gesetzt, und er wollte nichts mehr mit dem Laden zu tun haben; nicht einmal schreiben wollte er über ihn. Also wurde er bei der SUN Spezialist für Okkultes und Jenseitiges. Damit kannte er sich damals schon mindestens genauso gut aus wie mit allen Fragen rund um den lieben Gott und sein Verhältnis zur ehrwürdigen Kirche von England.
    Seit zwei Jahren schrieb er nur noch zu fünfzig Prozent für die SUN. Die andere Hälfte seiner Zeit verfasste er Horrorromane; unter einem Pseudonym selbstverständlich. Seine Datenträger quollen über vor Stoff.
    Tag 75 – Tod im All?, titelte die SUN. Das war völlig übertrieben und natürlich weiter nichts als ein Kaufanreiz. Es ging mal wieder um die Marsmission. Erst auf Seite 3 erfuhr man wirklich Neues: Seit ein paar Tagen befand sich die Besatzung der Bradbury im Tiefschlaf. Von einem der Tiefschläfer an Bord funkte der Bordrechner medizinische Daten, die man in Houston nicht recht zu interpretieren wusste. Von einer Erkrankung des Mannes bis zu einem harmlosen Samenerguss wurde alles diskutiert.
    Das Pin-up-Girl der SUN trug übrigens einen Astronautenhelm mit NASA-Emblem und hielt ein Modell der Bradbury so verfänglich zwischen ihren nackten Beinen, dass man unwillkürlich an einen Dildo denken musste.
    Seinen eigenen Artikel fand Percival auf Seite 4. Glauben diese Kids an den Teufel?, lautete die Überschrift. Sie stammte natürlich von Bluster. Das Foto darunter zeigte ein Kruzifix auf einem brennenden Scheiterhaufen. Gitarre spielende Musiker sprangen um das Feuer. Sie waren in schwarze Lumpen gekleidet und mit rostigen Ketten behangen. Bis auf einen Stirnzopf waren die meisten kahlköpfig. Einer hatte seinen Kahlkopf rot und schwarz gefärbt.
    In der Reportage ging es um eine neue Musikrichtung, den Hell Metall Rock. Percival porträtierte einen Musiker aus der Szene und stellte seine Texte vor. Der Musiker nannte sich Carlo, seine Band hieß The Firegods, und der Grundtenor seiner Texte lautete: Verwandelt die Erde in eine Hölle. Ein ziemlich alter Hut also.
    Tom Percival recherchierte seit einem Monat in der Szene. Ihn interessierte vor allem die Frage, ob das höllische Getue dieser Leute Masche und Marketing war, oder ob sie wirklich von satanistischen Strömungen beeinflusst wurden. Noch war er nicht dahinter gekommen.
    Er blätterte die Zeitung durch und schlürfte seinen Kaffee dabei. In seinem Arbeitszimmer war es still geworden. Leider hatte er das Finale von Mozarts Klavierkonzert verpasst. Er krempelte die Ärmel hoch und ließ Wasser in die Spüle laufen. Innerhalb einer halben Stunde hatte er den Abwasch bewältigt und die Küche auf Hochglanz gebracht.
    Nach dem Kaffee und einer weiteren Lucky Strike stieg er unter die Dusche und danach auf die Waage – zweihunderteinundzwanzig Pfund. Seit drei Jahren kam er von diesem Gewicht nicht mehr herunter. Ein Mann von hunderteinundneunzig Zentimeter Körpergröße sollte nicht mehr als hundertachtzig Pfund wiegen. Das jedenfalls behauptete sein Arzt.
    Während der Rasur betrachtete er sein breites Gesicht im Spiegel: wulstige Lippen, kräftiges Kinn, eine kleine Stupsnase, hohe gewölbte Stirn, schwere Augenlider, wache graue Augen; das Gesicht eines Gemütsmenschen. Percival fand es sympathisch. Und er fand, dass es gut aussah dafür, dass sein Besitzer die halbe Nacht lang gearbeitet hatte.
    Er hatte sich nicht sehr verändert in den letzten Jahren, fand Percival. Die dunkle Matte aus drahtigen krausen Locken auf seinem Quadratschädel schimmerte zwar in letzter Zeit etwas silbriger als früher, war aber noch immer genauso dicht wie in seiner Jugend. Nein, man sah ihm seine zweiundfünfzig

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