VT06 - Erstarrte Zeit
um sich, mit dem Sturmgewehr feuerte er über die Köpfe hinweg. »Wollt ihr wohl von der Spüle verschwinden, ihr räudigen Hyänen?!«
Schon hingen einige Männer unter den laufenden Wasserhähnen und tranken gierig. Andere, die ihren ersten Durst bereits gestillt hatten, füllten Becher und Gläser und reichten sie nach hinten.
»Wollt ihr wohl euren Kaiser zuerst trinken lassen?!« Gnadenlos hieb Poronyoma auf die Männer ein, die ihm den Weg versperrten. Schreiend und stöhnend gingen viele zu Boden. Der Tyrann kümmerte sich nicht um sie, sondern fuhr fort, sich mit Machete und Kalaschnikow den Weg zur Spüle zu bahnen.
Plötzlich sah er einen Offizier in krampfartige Zuckungen ausbrechen. Der Mann verdrehte die Augen, ließ das Wasserglas fallen, das er gerade gefüllt hatte, und stürzte zu Boden. Das Glas zerklirrte neben ihm.
Der Kaiser blieb stehen und ließ Machete und Gewehr sinken. Ein zweiter Kämpfer zuckte und krampfte und stürzte ebenfalls. Einer nach dem anderen ging plötzlich zu Boden.
Andere tasteten sich auf einmal wie im Halbschlaf an der Spüle und der Spülmaschine entlang, andere lächelten seltsam entspannt, und wieder andere griffen sich an den Hals, als würde Brechreiz sie würgen.
Der Kaiser traute seinen Sinnen nicht. Schritt für Schritt wich er zurück. Schließlich stolperte er über die Leiche eines Kämpfers, den seine kaiserliche Machete niedergestreckt hatte. Er schlug lang hin. »Verrat!«, schrie irgendjemand. »Kein Wasser mehr trinken…!«
Plötzlich fiel die Gitterverblendung eines Lüftungsschachts von der Decke. Etwas schlug hart in der Spüle und auf dem Herd auf. Der Kaiser sah zwei Handgranaten. »Verrat!«, schrie er und wälzte sich unter eine Anrichte.
Waffenläufe wurden aus dem Lüftungsschacht gestreckt. Dann krachten zwei Explosionen, und Gläser, Waffen, Besteck und Geschirrständer wirbelten von Wand zu Wand durch die Küche.
***
An die dreihundert Männer und Frauen drängten sich auf dem Hauptgang der Mittelebene vor dem Liftschacht und der Tür zum Wendeltreppenhaus. In der ersten Reihe standen der Professor und eine kleine Gruppe von etwas mehr als zwanzig Bewaffneten. Alle lauschten sie.
Der Schrittlärm und das Geschrei über ihnen ebbte nach und nach ab. Bald hörten sie Schüsse und dann wieder Geschrei; und schließlich, kurz hintereinander, zwei Explosionen. »Die Granaten!«, zischte Carlo. »Es ist so weit!« Er und Knox wollten losstürmen, doch van der Groot hob die Rechte und bedeutete ihnen so, noch zu warten.
Keinen Atemzug später hörten sie die Treppenhaustür in der unteren Ebene aufgehen. Ein junger Bursche kam die Wendeltreppe hoch gesprungen. Joshua. »Es wirkt!«, rief er schon von weitem. »Sie sterben oder werden bewusstlos! Es wirkt!«
Van der Groot ließ die Rechte sinken. »Greift an!«
An der Spitze der Bewaffneten stürmten Carlo und Knox das Treppenhaus. Vierzig oder fünfzig Unbewaffnete drängten sich nach der Vorhut auf die schmale Wendeltreppe.
Kein Widerstand hielt sie auf. Oben angekommen, stürmte Carlo als erster aus dem Treppenhaus. Zwei Weiße standen vor dem Eingang zur Gemeinschaftshalle und fuhren erschrocken herum. Carlo ließ ihnen nicht eine Sekunde Zeit – er zog den Bügel seines Schnellfeuergewehrs durch. Mündungsfeuer blitzte auf, eine Kugelsalve jagte Bodo und Fred entgegen und fällte sie, bevor sie auch nur einen Schuss abgeben konnten.
Carlo bückte sich nach ihren Waffen und warf sie seinen Leuten zu, die sie nach hinten weiterreichten. Wie vereinbart, stürmte er an der Spitze von elf Bewaffneten zu den Waschräumen, während Knox zwölf Mann Richtung Bunkerküche führte. In diesen beiden Räumen vermuteten sie die meisten Kaisertreuen.
Knox ließ alle vier Eingänge zur Küche besetzen und drang mit einem Stoßtrupp seiner mutigsten Männer ein. Chaos herrschte zwischen Spüle, Herdstellen und Anrichten. Bewusstlose und Tote lagen überall auf dem Boden, Männer übergaben sich oder krümmten sich in Zuckungen. Sämtliche Wasserhähne liefen.
Im Eingang zum Kühlhaus blitzte Mündungsfeuer auf. Einer von Knox’ Kämpfern schrie auf und brach zusammen. Knox und die anderen gingen in Deckung. »Stürmen!«, befahl Knox. Er winkte seine Kämpfer an der Tür herein. »Waffen einsammeln!«
Im selben Moment richtete sich ein Schatten über ihm auf. Knox sah ein Gorillafell und einen Stahlhelm auf schwarzem Schädel. Er warf sich zur Seite und trat gegen einen Serviertisch. Der
Weitere Kostenlose Bücher