VT06 - Erstarrte Zeit
kompromisslose Mord an Sissi und Daniel Djananga war eine Botschaft, die an Eindeutigkeit nichts, aber auch gar nichts zu wünschen übrig ließ.
Sie lautete: Wir verhandeln nicht, wir schlachten euch genauso gnadenlos ab wie diese beiden hier.
Van der Groot gab sich keinen Illusionen hin: Dort oben brauchte man Wasser, und zwar schnell. Also mussten die Kaiserlichen die unterste Ebene erobern. Charles Poronyoma würde kein Opfer scheuen, das war klar. Und er hatte genug Waffen und Leute, die mit ihnen umgehen konnten.
Mit fliegenden Fingern füllte van der Groot ein Reagenzglas nach dem anderen und verschloss sie. Als er das fünfzigste verkorkt hatte, drückte er Vera und Eusebia je ein Reagenzglasgestell in die Hände. Er stellte die Gläser hinein, und die nicht mehr hinein gingen, steckte er in die Taschen seines Labormantels.
»Schnell!« Den beiden Frauen voran hastete er aus dem Labor und in den Hauptgang. »Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren!«
Eusebia arbeitete zuverlässiger und fleißiger als je zuvor, Vera van Dam hatte sich den Notwendigkeiten der Extremsituation gebeugt: Die Zivilisation war untergegangen, der Bunker ihre einzige Zufluchtsmöglichkeit vor den Stürmen, der Hitze und der Dunkelheit auf der Erdoberfläche, und die Ordnung innerhalb des Bunkers die einzige Ordnung, die jetzt noch Gültigkeit hatte. Sie war entschlossen, alles in ihren Kräften Stehende zu ihrer Wiederherstellung beizutragen.
Dazu musste sie den Professor nicht lieben.
Neben Eusebia und hinter van der Groot her huschte sie über den Gang zur Wendeltreppe. Van der Groot rief ihrem Mann Peter ein Kommando zu, worauf der einen Telefonhörer ans Ohr hielt und eine Taste drückte.
Er hatte die Bunkersprechanlage kurzgeschlossen und wählte sich nun mit einem Telefon in das Bunkernetz ein. Während van der Groot und die beiden Frauen das Treppenhaus ansteuerten, hörten sie hinter sich Peters Stimme.
»Hier spricht Peter van Dam im Auftrag Professor Doktor van der Groots und der vereinigten Rebellenstreitkräfte. Das ist eine Botschaft an Kaiser Karl den Großen. Wir bitten um weitere Verhandlungen. Zum Zeichen unserer Kompromissbereitschaft werden wir die obere Bunkerebene in fünf Minuten wieder an die Wasserversorgung anschließen. Ich wiederhole: Wir bitten um weitere Verhandlungen. Zum Zeichen unserer Kompromissbereitschaft…«
Van der Groot und die Frauen erreichten die Treppenhaustür neben dem Aufzug. Ein seltsames Geräusch drang aus dem Liftschacht. Sie blieben stehen und lauschten. Es hörte sich an, als würde jemand versuchen, ein Loch in eine Stahlwand zu bohren.
»Irgendeine Schweinerei ist da oben im Gange!«, zischte Carlo. »Ihr müsst euch beeilen!«
Van der Groot nickte. Er und die beiden Frauen betraten das Treppenhaus und stiegen die enge Wendeltreppe hinunter. Die Stimme van Dams und das kreischende Bohren blieben zurück. Über ihnen standen etwa zehn schwer bewaffnete Kämpfer, die das Treppenhaus vor einem Sturmangriff von oben verteidigen sollten.
Nach wenigen Metern traten sie aus dem Treppenhaus in den unteren Hauptgang. Auch hier alles voller Männer und Frauen, die zum Äußersten bereit waren. Leider waren sie viel zu dürftig bewaffnet. Jan van der Groot blieb gar nichts anderes übrig, als die Waffen, die er besaß, voll auszureizen.
Sie hasteten zum Pumpwerk. »Ihr könnte euch auf den Weg machen!«, rief der Professor einer Gruppe Halbwüchsiger um Joshua zu.
Joshua schulterte sein Gewehr und winkte die Jungen und Mädchen hinter sich her. Mindestens drei Handgranaten baumelten an seinem Gurt. Die Meute lief zu den Räumen mit den Luftumwälzpumpen. Von dort aus sollten die schmalen Halbwüchsigen die Lüftungsschächte in die erste Ebene hinaufklettern. Von den Lüftungsgittern in der Decke über der Küche und den Waschräumen aus sollten sie die Wirkung der Waffe beobachten, die van der Groot als erste auszureizen gedachte.
Er und die Frauen erreichten die Metallflügeltür zum Wasserwerk. Auf der Schwelle blieb van der Groot stehen. Er blickte in die Halle mit den Pumpen und Rohren hinein und zurück in den Gang. »Wo ist Knox?«, fragte er. Niemand antwortete. »Wo ist Knox?«, rief der Professor. »Ich brauche ihn jetzt!«
Astrid kam aus einem Seitengang. Sie und eine Handvoll Models hatten es geschafft, nach unten zu fliehen, bevor der Kaiser und seine Kämpfer Lift und Treppenhaus blockierten. Ihr Schritt war unsicher, ihr Gesicht aschfahl. Die blonde Schwedin
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