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VT06 - Erstarrte Zeit

VT06 - Erstarrte Zeit

Titel: VT06 - Erstarrte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Berghang hinunterfuhr. Manchmal drehten sie sich um und blickten zurück. An der Ostseite sahen sie glühende Lavamassen die Hänge hinunterwalzen. Die Flüchtlinge an der Westseite waren nicht in Gefahr – noch nicht. Im gespenstischen Schein der Glut stiegen an der Ostseite Rauchsäulen auf.
    »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die Westflanke aufbricht«, sagte Wilson.
    »Je mehr Druck entweichen kann, umso besser«, sagte Percival. »Beten wir, dass der Gipfel nicht explodiert. Sollte das geschehen, bevor wir den Bunker erobert haben, sind wir verloren.«
    »Sind Sie sicher, dass der Bunker einen Ausbruch des Kilimandscharos überstehen kann?«, fragte Wilson. Er war skeptisch, das hörte man seiner Stimme an.
    »Ich hoffe es«, sagte Percival.
    »Erst einmal müssen wir in den Bunker hineinkommen«, sagte Leila trocken.
    Drei Stunden brauchten sie bis zum verlassenen Kupferbergwerk, bis zur Großen Grube. Männer luden das Fleisch ab und halfen den geschwächten Flüchtlingen von der Ladefläche.
    Percival, Leila und Wilson liefen zu einer Leichtmetallbaracke vor dem Stolleneingang des alten Bergwerks. Dort hatten Dagobert und Major Mogbar ihre Kommandozentrale errichtet. Bert Krieger und sein Sohn waren bei ihnen. Außerdem vier oder fünf Männer in zerschlissenen Uniformen. Zwei Öllampen verbreiteten mattes und warmes Licht.
    »Der Kilimandscharo entwickelt eine gefährliche Vulkantätigkeit«, sagte Percival.
    »Wissen wir«, sagte Dagobert düster. Er wirkte gebeugt und gealtert. Percival entschied sich, ihm noch nichts vom Schicksal seines Freundes Donald zu verraten.
    »Habe ich es Ihnen nicht prophezeit?«, rief Krieger. Niemand reagierte, doch in den Gesichtern der anderen las Percival denselben Wunsch, den auch er spürte: Den Wunsch, dem Deutschen in den Hintern zu treten.
    »Wir haben die Höhle evakuieren lassen«, sagte Wilson. »Die drei Transporter müssen so schnell wie möglich der Flüchtlingskolonne entgegenfahren, die Leute sind erschöpft und schleppen ihre Habseligkeiten mit sich.«
    Mit einer Geste bedeutete Major Mogbar einem seiner Männer, zu den Fahrzeugen zu gehen und für ihre rasche Abfahrt zu sorgen. Der Soldat verließ die Baracke.
    Dagobert wandte sich an Percival. »Nach den letzten Spähermeldungen hat sich der Kampflärm im Bunker gelegt. Unsere kleine Armee ist marschbereit. Ziehen Sie mit in den Kampf, Sir Percival?«
    Percival bejahte ohne lange zu überlegen. »Wann marschieren wir?«
    »In einer Stunde«, beschied ihm Dagobert.
    ***
    Anderthalb Stunden später zog eine Truppe von nicht ganz dreihundert Männern und Frauen durch die verbrannte Landschaft der Savanne. Ein Drittel war bewaffnet, die anderen zwei Drittel trugen Rucksäcke, Taschen und Koffer mit dem Sprengstoff, den Major Mogbar mehr als drei Wochen zuvor aus Daressalam mitgebracht hatte.
    Die Luft war feucht und roch nach Feuer und Schwefel. Und sie war voller Staub. Manchmal, wenn Percival zu tief einatmete, musste er husten.
    Es war dunkel. Nicht mehr ganz so dunkel wie noch bei ihrer Ankunft an der Großen Grube, aber noch immer dunkel. So dunkel wie eine sternklare Nacht vor »Christopher-Floyd« etwa. Nur funkelten keine Sterne. Es war gegen zehn Uhr vormittags, und Percival nahm an, dass irgendwo jenseits der dunkelgrauen Himmelswand eine Sonne scheinen musste.
    Neben ihm begann Leila plötzlich zu schluchzen. »Was ist mit dir?«, fragte er und legte den Arm um sie.
    Sie senkte den Kopf und schüttelte sich, als wollte sie einen Schwarm Fliegen vertreiben. »Nichts«, sagte sie. »Ich musste nur plötzlich an die Saurier denken, und dass sie vor fünfundsechzig Millionen Jahren auf einer ähnlich grausigen Welt leben mussten. Und es nicht geschafft haben.«
    Percival antwortete lieber nichts. Es schien auf einmal ein wenig heller zu werden. Er blickte sich um. Die scharfen Konturen eines stark abgeflachten Bergkegels zeichneten sich allzu deutlich vor dem Hintergrund des schwarzgrauen Himmels ab. Der Kilimandscharo. Lavaströme streckten sich die Hänge hinunter wie rot leuchtende Arme eines Kraken. Viel mehr Lavaströme als noch vor einer Stunde.
    Percival versuchte sich vorzustellen, er hätte zwei Monate zuvor in der SUN oder sonst wo gelesen, der Kilimandscharo würde wieder ausbrechen. Es gelang ihm nicht.
    Irgendwann stockte die Marschkolonne. Leila hakte sich schutzsuchend bei ihm unter. Sie deutete nach links und rechts. Verkohlte Bäume ragten zwischen niedergebrannten Büschen auf.

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