Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
VT07 - Niemandes Welt

VT07 - Niemandes Welt

Titel: VT07 - Niemandes Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Vandis
Vom Netzwerk:
mit den Fingern an die Lippen, nachdenklich. »Nabuu…? Kenne nicht Nabuu…!«
    Das mag ja sein, schoss es Nabuu durch den Kopf. Lass mich einfach nur hoch, dann wirst du mich schon kennen lernen.
    Auf der anderen Seite der Lavaspalte ertönte eine Stimme. Wabo Ngaaba. Er rief irgendetwas, das Nabuu nicht verstand. Kurz darauf zischte etwas an Nabuus Kopf vorbei und bohrte sich vor dem Fremden in das Geröll. Die Eisenspitze eines Armbrustpfeils.
    Das Wesen quiekte auf und sprang seltsam ungelenk zurück. Offenbar war es verkrüppelt!
    Nabuu nutzte die Chance und zog sich mit letzter Kraft über die Kante nach oben.
    Geschafft!
    Für einen Moment lag er einfach nur da, schwer atmend, erleichtert darüber, dass er noch am Leben war. Er drehte den Kopf und blickte zur anderen Seite hinüber. Ein Dutzend gespannte Armbrüste zeigten in seine Richtung.
    Nein, nicht in seine Richtung. In die des Fremden.
    Der Verkrüppelte hatte sich halb hinter einen Felsen gekauert und starrte Nabuu mit angstvollen Blicken an. Erst jetzt fand Nabuu Zeit, sich das merkwürdige Wesen genauer anzusehen.
    War es ein Gruh? Es trug Kleidung, wie Nabuu sie auch bei den Gruh gesehen hatte – wenngleich auch völlig zerfetzt –, und seine Haut war bleich und mit Unreinheiten übersät. Andererseits konnte es sprechen, auch wenn sein Vokabular offenbar arg begrenzt war. Dünne weiße Haare hingen ihm wirr in die Stirn. Er bewegte sich trotz seiner Behinderung geschmeidiger als ein Gruh. Sein Körper war gebeugt und die Arme und Beine fast spinnenhaft dürr. An seinem Hinterkopf war sein Schädel auf einer handtellergroßen Fläche eingedrückt. In einem ausgezehrten Gesicht saßen große graue Augen. In den verschleierten Pupillen las Nabuu neben reiner, kreatürlicher Furcht so etwas wie Neugier – Neugier auf die unbekannten Besucher. Und vor allem das war es, was ihn davon überzeugte, keinen Gruh vor sich zu haben.
    »Nabuu…«, flüsterte das Wesen heiser und kratzte sich mit dem Fingernagel die Wange.
    Nabuu nickte. »Nabuu. Das ist mein Name. Wie heißt du?«
    Die Gestalt blinzelte ihn verwirrt an. »Heißt? Du?«
    »Ja. Dein Name.«
    Das Wesen schüttelte den Kopf. »Nicht Name. Bin niemand. Nicht wichtig.«
    Niemand also. Na schön. Nabuu warf einen Blick zu den Soldaten hinüber und gab ihnen zu verstehen, dass von dem Wesen keine Gefahr mehr drohte.
    »Du musst uns helfen«, sagte Nabuu.
    »Helfen?«, fragte Niemand stirnrunzelnd.
    Nabuu erklärte. Sein Gegenüber schien zu begreifen und schlug sich auf die Schenkel. »Seile. Helfen. Ja. Ja.«
    Nabuu winkte Wabo, und dieser schleuderte ein Halteseil herüber, das Nabuu an einer Felsnase befestigte. Zwei weitere Seile folgten. Innerhalb weniger Minuten entstand eine Art Hängebrücke. Der Dürre klatschte begeistert in die Hände, während er Nabuu dabei zusah, wie dieser die Seile befestigte.
    Dann gab Nabuu Wabo und den Gardisten ein Zeichen. Einer nach dem anderen hangelte sich an den Seilen über den Erdspalt. Als letzter kam Hauptmann Cris an die Reihe.
    Wabos Blick richtete sich auf das Wesen, das sich angesichts der Übermacht der Gardisten ängstlich an die Wand gepresst hatte. Seine Blicke irrten von den Armbrüsten der Gardisten, vor denen es offenbar großen Respekt hatte, immer wieder hinüber zu dem Spalt in der Wand, der wenige Meter von ihm entfernt in das Labyrinth führte. Nabuu hatte sich in weiser Voraussicht so hingestellt, dass er den Fluchtweg abschnitt.
    »Wer ist das?«, fragte Wabo stirnrunzelnd.
    Nabuu zuckte die Achseln. »Er sagt, er heißt Niemand.«
    Wabo Ngaaba trat auf das Wesen zu, dessen Atem sich prompt beschleunigte. »Woher kommst du?«
    »Kommen«, wiederholte der Verkrüppelte und starrte Ngaaba verständnislos an.
    »Lebst du hier unter der Erde?«
    Der Dürre überlegte und nickte schließlich. »Niemand lebt hier. Mein Reich.«
    »Er ist kein Gruh«, warf Nabuu ein, »da bin ich sicher.«
    Bei der Erwähnung der Gruh wurde Niemand noch blasser, als er ohnehin schon war. Er riss die Augen auf, und seine Lippen zitterten. »Gruuuh!«, stieß er hervor, formte die Hände zu Klauen und ahmte den taumelnden Gang der Gruh nach. »Nein! Niemand kein Gruh. Nie im Leben. Angst vor Gruh! Große Angst!«
    Nabuu lächelte mitfühlend. Die Tatsache, dass sie in dieser menschenfeindlichen Umgebung auf ein Wesen getroffen waren, vor dem sie sich offenbar nicht zu fürchten brauchten, ließ für ein paar Sekunden alle Anspannung von ihm

Weitere Kostenlose Bücher