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VT09 - Die tödliche Woge

VT09 - Die tödliche Woge

Titel: VT09 - Die tödliche Woge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Vandis
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die unaufhörlich voranschreitenden Zeiger der Standuhr in seinem Arbeitszimmer blickte. Es war halb sechs. In einer halben Stunde fand das Abendessen statt, das die Prinzessinnen wie üblich in Gegenwart der höchsten Regierungsbeamten von Avignon einnehmen würden.
    Kanzler Leclerc würde anwesend sein, ebenso Pierre de Fouché, Kommandant der Garde von Avignon, und Lomboko, der Raffzahn. Letzterer war ein gefürchteter Steuereintreiber, bei dessen Erwähnung selbst dem ehrbarsten Bürger der Sooltje-Provinz ein eisiger Schauer über den Rücken lief.
    Noch eine halbe Stunde, bis Leclerc, das braune Fläschchen mit der todbringenden Flüssigkeit in der Tasche, den Bankettsaal betreten würde. Er hatte seine Entscheidung getroffen, doch er war nicht glücklich mit ihr. Sie war eine Konsequenz der Zwangslage, in der er sich befand. Er konnte nur verlieren, egal ob er sich gegen Antoinette entschied oder gegen Lourdes. An dem Mordkomplott teilzunehmen, sich sogar als ausführendes Element missbrauchen zu lassen, erhöhte seiner Ansicht nach die Wahrscheinlichkeit, aus der Sache mit heiler Haut herauszukommen. Wenn alles klappte und Lourdes anschließend den Mund hielt, würde nie jemand etwas erfahren.
    Niemand würde Verdacht schöpfen, wenn Antoinette sich nach dem Essen mit Schweißausbrüchen und Übelkeit in ihre Gemächer zurückzog. Ein verdorbener Magen, würde man denken. Dann, wenige Minuten später, würden sich die Symptome kurzzeitig verschlimmern, und Antoinettes Herz würde aussetzen. Ein kurzer, weitestgehend schmerzloser Todeskampf. Sie würde nicht lange zu leiden haben.
    Kanzler Leclerc fror, als er sich die Bedeutung der Worte vor Augen führte. Er war auf dem beste Wege, zu einem gefühllosen Mörder zu werden, einem der niedersten Subjekte, die die menschliche Gesellschaft hervorbringen konnte!
    Nein, ich tue nur meine Pflicht, versuchte er sich abermals einzureden. Antoinettes Tod wird für die Sooltje-Provinz wie ein Geschenk des Himmels sein.
    Aber sein Herz wollte ihm nicht glauben.
    Mörder, antwortete es mit kühler, verächtlicher Stimme.
    Er stand auf und öffnete die Schublade, in der sich das Fläschchen befand, dessen Inhalt in wenigen Minuten das Leben eines Menschen beenden würde. Leclerc verspürte plötzlich den Drang, die Flasche aufzuschrauben und den Inhalt in die Toilette zu kippen.
    Er würde sich Antoinette anvertrauen, ihr von den Absichten ihrer Schwester erzählen…
    Nein, noch besser: Er würde überhaupt nichts sagen. Was konnte Lourdes schon tun? Sollte sie ihn öffentlich beschuldigen, dass er ihren Mordauftrag nicht ausgeführt hatte?
    Oh, sie besitzt subtilere Mittel der Demütigung.
    Ganz zu schweigen von dem Posten als Kriegsminister in Wimereux-à-l’Hauteur, den er niemals erhalten würde.
    Kanzler Leclerc hatte sich selbst immer für einen integren Diener des Kaisers gehalten. In seiner langen Laufbahn hatte er sich niemals etwas zuschulden kommen lassen. Sicherlich hatte er hier und da die Ellenbogen ausgestreckt, um nach oben zu kommen – aber wer tat so etwas nicht?
    Ganz richtig. Die, die unten blieben, taten so etwas nicht.
    Aber deshalb war er noch lange kein böser Mensch. Jetzt aber, mit der Ermordung Antoinettes, würde er zu einem werden, und das Schlimmste an dieser Erkenntnis war, dass sie ihn nicht wirklich zu schockieren vermochte. Natürlich hatte er Skrupel, aber die wurden immer wieder von der Aussicht auf die Beförderung in den Hintergrund gedrängt.
    Ein Mensch kann nicht ändern, was er ist.
    Er würde tun, was getan werden musste!
    Es klopfte.
    Kanzler Leclerc hätte um ein Haar das Fläschchen aus der Hand fallen lassen. Rasch versteckte er es in der Schublade und schob sie zu, während sich bereits die Tür öffnete und eine hagere Person in Gardeuniform eintrat.
    »Kommandant de Fouché!«, entfuhr es Leclerc.
    Der Kommandant lächelte maliziös. »Komme ich etwa ungelegen?«
    »Nicht doch, nicht doch.«
    Leclerc setzte sich hastig. Der milde Spott in der Stimme des Kommandanten erschien ihm durchaus ungehörig.
    Dennoch verzichtete er auf eine Zurechtweisung, denn er hatte den Blick de Fouchés auf die Schublade bemerkt. Der Kommandant war kein dummer Mensch. Er war in der Lage, Zusammenhänge zu erkennen. Leclerc wollte ihm keinen Anlass geben, Verdacht zu schöpfen, indem er sich seine Unsicherheit anmerken ließ.
    »Wie kann ich ihm behilflich sein?«, erkundigte er sich möglichst unbefangen.
    Pierre de Fouché ließ abermals

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