VT11 - Flammender Himmel
abzulenken, kontrollierte sie noch einmal den Serumsbeutel, den Nabuu um seinen Oberarm trug.
Gut, damit stimmte so weit alles. Die blaue Flüssigkeit darin würde noch für Stunden reichen. Sie lud sich ihre Tasche auf die Schulter, nahm die Hand ihres Geliebten und zog ihn hoch. Die Gardisten sahen nicht auf, während sie noch einmal am Schlauch herumzupfte, der den Serumsfluss in Nabuus Adern aufrechterhielt. Sie machten überhaupt keine Anstalten, Tala und Nabuu zu folgen.
Sie straffte sich – schließlich wusste sie genau, was die Männer von dem gemeinsamen Auftrag hielten – und sagte dann laut: »Lasst uns gehen. Wir müssen unsere Mission hinter uns bringen.«
Einer der Gardisten sah Tala feindselig an, sagte aber nichts. Niemand bewegte sich. Tala platzte der Kragen. »Denkt ihr denn, ich weiß nicht, wie ihr empfindet? Glaubt ihr, mir geht es anders? Aber wir müssen diesen Dokk finden, wenn es ihn gibt! Nur er hat das Heilmittel. Doktor Aksela wird es nicht schnell genug liefern können. Seht euch Nabuu an. Wollt ihr etwa, dass bald alle in den Wolkenstädten so aussehen? Eure Freunde, Verwandten, Frauen?«
Die vier Männer sahen sich an und senkten den Blick. Schließlich antwortete einer von ihnen: »Nein, Tala Dupont. Das wollen wir nicht. Aber seid ihr wirklich sicher, dass die Lösung da unten zu finden ist?«
Tala sank ein wenig in sich zusammen. »Ich weiß es nicht«, gab sie zu. »Ich weiß es wirklich nicht. Aber glaubt mir: Ich könnte es nicht ertragen, wenn ich es nicht versuchen würde. Bitte! Ich brauche euch. Helft mir und helft den Wolkenstädten.«
Die Gardisten sahen sich erneut an und schwiegen. Schließlich wandte Tala sich ab und ging. Nabuu zog sie mit sich.
»Warte. Wir kommen ja schon.«
Tala drehte sich um und sah zwei der Gardisten entschlossen auf sie zukommen. Die beiden anderen folgten ihnen, wenn auch widerwillig. »Wir sind dabei. Aber wir laufen nicht einfach blind in diese Höhlen!«
»Das sollt ihr auch nicht. Wir bleiben dicht zusammen. Hier soll keiner allein bleiben.«
Innerlich atmete sie auf. Diese Bewährungsprobe hatte sie gemeistert. Doch wie viele lagen wohl noch vor ihr?
***
Zurück in der Soldatenstadt
Mambotus Zeitgefühl verriet ihm, dass es bereits auf Mitternacht zuging, als er wieder in Brest-à-l’Hauteur eintraf.
Keiner hatte mit ihm gerechnet, immerhin war es nicht üblich, nachts zu fliegen, deshalb war auch der Landeabschnitt leer. Die Vögel hatte man in den Ställen angebunden, die anderen Witveerlenker saßen vermutlich irgendwo zusammen und betäubten die Angst vor der Schlacht mit Maisschnaps. Sogar der allgegenwärtige Leutnant Dupont, dem die Oberaufsicht über die Piloten oblag, war nicht zu sehen. Er war wohl ebenfalls davon ausgegangen, dass Mambotu bis zum Eintreffen der Soldatenstadt in Orleans-à-l’Hauteur bleiben würde. Das war gut. So konnte Mambotu unangenehmen Fragen ausweichen.
Er brachte seinen Witveer unauffällig an dessen Schlafplatz. Heute würde er bei seinem Tier übernachten, da gab es keine Frage.
Mit Schaudern dachte er an den Gruh, der ihn bei seiner Rast überfallen hatte. Der Anblick seiner grauen Haut und der leeren Augen ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.
Gruh. Der Name stammte angeblich von den einfältigen Bauern, die nicht das Glück hatten, in einer der Städte zu leben und deshalb auch wesentlich weniger gebildet waren. Und so waren auch die unter der Hand verbreiteten Berichte von den Gruh für Mambotu bislang nicht mehr gewesen als abergläubische Gruselgeschichten, obwohl die Kreaturen angeblich Lourdes, die Zwillingsschwester von Prinzessin Antoinette, entführt und aufgefressen hatten.
Mambotu strich seinem Witveer über den Hals. Der große Vogel war wunderbar weiß. So weiß, dass er im Dunkeln beinahe leuchtete, und unter dem weichen und glatten Gefieder war der Pulsschlag des Tieres zu spüren. Es hatte den Kopf schon lange unter den Flügel gesteckt, und der Lenker fühlte, wie das Blut ruhig und warm und angenehm in dem Witveer kreiste.
Morgen war alles wieder gut, er wusste das genau.
Solange es dem Vogel gut ging, ging es auch dem Lenker gut, das war schon immer so gewesen.
Er schloss die Augen.
»Hey, was machst du denn hier? Ich dachte, du bist in Orleans?«
Mambotu schreckte auf. »Autsch!«
Baptiste sah stirnrunzelnd auf seinen Kollegen herunter, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Nacken rieb. »Was ist? Nacken verspannt? Kein Wunder, was schläfst du denn
Weitere Kostenlose Bücher