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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
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gefrorenen Scheibe zu lösen. Um den Teppich
kümmerte sie sich nicht weiter und näherte sich auch dem Affen nicht.
Stattdessen zog sie sich in die Küche zurück, steckte sich eine Zigarette an
und probierte, ob der Strom angestellt war. Ja, es gab Strom, und so setzte sie
zwei Töpfe mit Wasser auf, den ersten, um den Schinken warm zu machen, den der
Colonel ihr am Morgen mitgebracht hatte, den zweiten für ein paar Kartoffeln.
Als sie gar waren, pellte Sonja sie mit dem schweren Messer, das ihr so gut in
der Hand lag und auf dessen Klinge Solingen gestanzt
war. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie es sich anfühlen mochte, dem Tier
damit die Kehle durchzuschneiden. Ihm das Kinn wie ein Barbier anzuheben und
die Kehle von einem zum anderen ledrigen Ohr aufzuschlitzen. Stellte sich die
Reaktion des Colonels vor, wenn er das hingeschlachtete Tier sähe, den Teppich
blutgetränkt. Sie konnte den Affen nebenan plappern hören, weniger aggressiv
jetzt, und sie begriff, dass er etwas essen wollte. Es wäre ein Kinderspiel,
ihn zu vergiften. Unter der Spüle befanden sich Bleichmittel, Formaldehyd und
Lauge, und neben ihrem Bett hatte sie ein volles Gläschen Schlaftabletten. Sie
füllte eine Tasse mit Kartoffelwasser und stellte sie in Reichweite des
ausgestreckten Affenarms. Er griff danach und stieß die Tasse um. Aus der Nähe
war der Gestank der Fäkalien überwältigend, selbst in der eisigen Luft. Sonja
ging zurück in die Küche und holte noch eine Tasse. Diesmal schob sie das
Wasser näher zu ihm hin. Als sie ihn so hastig trinken sah, dass ihm ein Teil
des Wassers über den Leib troff, brachte sie auch noch eine Kartoffel und ein
paar getrocknete Apfelstücke. Der Affe ging geschickt mit dem Essen um, hielt
es in seinen winzigen schwarzen Handflächen. Keine Sekunde lang ließ er sie
dabei aus dem Blick, und auch sie hockte sich hin und sah ihm beim Fressen zu.
Seine Augen schienen nichts Weißes zu haben, und das Fell um sie herum war gelb
mit Sekret verkrustet. Sie nahm eine Serviette vom Tisch, nässte sie mit Spucke
an und streckte die Hand aus, um ihm die Augen zu säubern, aber der Affe wich
zurück und bleckte die Zähne. Da hörte Sonja den Schlüssel im Schloss, richtete
sich auf, ließ die Serviette fallen und eilte zurück in die Küche.
    Als sich
die Tür öffnete und der Colonel einen unsicher gehenden Pavel hereinführte,
fanden die beiden Sonja auf den Esstisch zueilen, ein dampfendes
Kartoffelgericht mit zwei fröhlich bunten Geschirrtüchern haltend.
     
    Pavel ließ sich auf einen Stuhl
sinken. Er war erschöpft. Seine Nieren schmerzten, und er wünschte, er könnte
sich auf das Sofa legen, statt auf diesem Biedermeierstuhl mit der hohen Rückenlehne
sitzen zu müssen, eine Serviette auf dem Schoß und das gute Silberbesteck vor
sich auf dem Tisch aufgereiht. Seltsam gebannt beobachtete er, wie der Colonel
den Schinken auf dem hölzernen Schneidebrett in zentimeterdicke Scheiben
schnitt, und lauschte seiner Geschichte. Nach einer nächtlichen Zecherei Anfang
der Woche habe er den Affen gekauft, ziemlich billig, von einem außer Dienst
gestellten Wehrmachtsunteroffizier. »Ich weiß, was Sie sagen werden, Pavel, er
stinkt und ist schmutzig, aber bei Gott, ich liebe das kleine Biest.« Sonja
verteilte die gekochten Kartoffeln und holte dem Colonel ein Bier und einen
Kamillentee für Pavel. Das Essen stand vor ihm und überdeckte den Geruch des
Tieres. Der Duft stieg ihm in die Nase und verführte Pavels Körper. Er
begriff, wie hungrig er war, ja heißhungrig, und er schämte sich dafür. Er
schloss die Augen, um den Anblick von Boyds Leichnam erneut vor sich
heraufzubeschwören, aber mit dem intensiven Geruch des Räucherschinkens in der
Kehle war es bereits schwierig, sich an die Einzelheiten zu erinnern. Unfähig,
noch länger zu warten, schnitt er sich einen Bissen ab und zerkaute ihn. Es
schmeckte wundervoll. Er probierte die Kartoffeln und stellte fest, dass sie
gut gesalzen und mit Schnittlauch verfeinert waren. Schnittlauch, schimpfte er sich, du verrätst deinen Freund für den Geruch von Schnittlauch. Er
zerkaute einen weiteren Bissen und hoffte, der Colonel würde das Schweigen
nicht brechen.
    »Wer war
es?«, fragte Pavel schließlich selbst, als er seine erste Scheibe gegessen und
den Saft mit etwas Brot aufgewischt hatte. Sonja legte ihm mit der Fleischgabel
eine weitere Scheibe auf den Teller. »Wer hat Boyd umgebracht?«
    Colonel
Fosko wischte sich die Lippen mit seiner

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