Wach auf, wenn du dich traust
hoffnungslos langen Beine irgendwo unterzubringen, die aus seinem schlaksigen Körper irgendwas zwischen Gummipuppe und Stelzenläufer machten. Max war eigentlich nur am Computer alles andere als ungelenk – für den nackten Hintern auf der Schul-Homepage hatte er eine Abmahnung bekommen und Max hatte es offensichtlich sehr genossen. Auf seine Anwesenheit hier auf der Freizeit hätte Jenny bestens verzichten können.
Außerdem saß da noch Miro, der in Jennys Parallelklasse ging. Jenny mochte ihn. Miro hatte das unschuldigste Lachen, das sie kannte, und schien nie Probleme zu haben. »Wenn ich so viel kiffen würde wie der, fände ich das Leben auch lustig«, hatte Debbie einmal bemerkt.
Und dann war da noch ein unbekanntes Gesicht, wahrscheinlich ein Unterhofener. Man konnte ihn leicht übersehen, wahrscheinlich weil er so gut wie nichts sagte und unbeteiligt aus dem Fenster schaute.
Sie wandte sich zu Debbie. »Wer ist das? Der neben Miro?«
»Frederik«, sagte Debbie langsam, »bei dem musst du aufpassen. Voll der Psychopath.«
Ob Tizian wohl auch in der hintersten Reihe sitzen würde?, fragte sich Jenny.
»Dürfen eigentlich auch welche beim Jugendzentrum mitmachen, die nicht auf der Freizeit mit dabei sind?«
Debbie zuckte mit den Achseln. »Ich denke schon. Wäre ja sonst kaum ein richtiges Jugendzentrum. Aber ich denke, die wirklich wichtigen Aufgaben werden dann eben wir bekommen.«
»Die freizeitgestählte Elite-Einheit?«
»So ähnlich.« Debbie grinste.
Jenny beugte sich zu den beiden Mädchen, die vor ihnen saßen.
»Und wer seid ihr?«
»Luzia«, stellte sich die eine vor. Sie hatte ihr dunkelblondes Haar im Nacken zusammengeknotet und drehte sich mit einem offenen Lächeln zu Jenny um. »Seht mal her. Das sind Gretas Pferde. Hammer, oder?«
Sie streckte ihnen ein Handy entgegen, auf dem die Blonde, die neben ihr saß, auf einer Wiese zu sehen war, die Arme an die Hälse zweier Pferde gelehnt.
»Du bist doch Greta vom Aussiedlerhof, oder?«, erinnerte sich Jenny laut. Sie hatte das Mädchen schon öfter ausreiten sehen. Greta nickte und nahm ihr Handy wieder an sich.
Vorne versuchte gerade Beate, sich wieder Gehör zu verschaffen. »Weil ihr all eure Kräfte brauchen werdet für die nächste Woche, werden wir gleich mal damit anfangen, diese zu konzentrieren«, sagte sie. Da niemand groß auf sie zu achten schien, stand nun auch Markus auf und sah ohne ein Wort in die Runde. Er schien das Schaukeln des Busses nicht einmal wahrzunehmen. Breitbeinig stand er da und bedeutete Beate, sich wieder hinzusetzen. Dann sah er einen nach dem anderen von ihnen an, bis die Lautstärke merklich nachgelassen hatte. Dabei machte er zum ersten Mal ein ernstes Gesicht. »Es gibt Menschen«, sagte er nun langsam, »die glauben, die heutigen Jugendlichen seien von Internet, Computer und unserer modernen Zivilisation schon so verweichlicht, dass sie überhaupt nicht mehr fähig seien, Dinge wie Gemeinschaftsgefühl, körperliche Anstrengungen und Naturerfahrung auszuhalten.«
Er strich sich über das Kinn, als wolle er über diese Überlegung ernsthaft nachdenken. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich glaube, wir werden diese These widerlegen. Aber das setzt natürlich voraus, dass ihr alle mitmacht.«
Jenny betrachtete sich in der Fensterscheibe und zupfte eine Haarsträhne zurecht, die sich aus dem Zopfgummi gelöst hatte.
»Silvio wird jetzt eure Handys, iPods und was ihr sonst noch an technischem Schnickschnack mit euch herumtragt, einsammeln«, sagte Markus und deutete mit der ausgestreckten Hand den Gang entlang zur hintersten Bank. »Dieses Zeug lenkt euch nur ab.«
»Oh nein!« Deborah krallte die Finger um ihr Handy. In ihrer Stimme schwang Panik mit. »Was soll das denn? Der spinnt doch.«
Jenny sah ihre Freundin an, die auf ihr Handy blickte wie eine Fünfjährige auf ihren Lieblingsteddy, den sie zum Einschlafen braucht. »Entspann dich«, sagte sie und legte ihre Hand auf Deborahs. »Es stimmt doch. Du brauchst es ja wirklich nicht.«
»Sagst du«, gab Deborah missmutig zurück und schaute nach hinten. Auch andere murrten unwillig.
Unwillkürlich drückte Jenny auf ihre Hosentasche. Das Schweizer Messer, das sie an ihrer Gürtelschlaufe befestigt hatte, war vermutlich teurer gewesen als ihr Handy. »Damit kannst du überall überleben«, hatte Joachim gesagt, als er es ihr zu ihrem vierzehnten Geburtstag überreicht hatte. Und wenn sie ehrlich war, fühlte sie sich mit dem Ding am Hosenbund
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