Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wach auf, wenn du dich traust

Wach auf, wenn du dich traust

Titel: Wach auf, wenn du dich traust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Mohr
Vom Netzwerk:
eine Frau, die hatte eine Holzperlenkette in der Hand. Rosenkranz heißt das, glaub ich. Sie hat die ganze Zeit was gemurmelt. Ich hab nichts davon verstanden, aber es klang so beruhigend. Die Frau hat gemurmelt und gemurmelt, den ganzen Tag. Und irgendwann war sie weg. Und der Mann auch, der da gelegen hatte. Keine Ahnung, ob er aufgewacht ist oder gestorben. Vielleicht hilft das Beten auch nichts, aber wenigstens weiß man dann, was man zu tun und zu sagen hat, und muss nicht darüber nachdenken.
    Basti wartet unten auf mich. Er hat mich überredet, hierherzukommen. Er würde mich nie alleine lassen.
    Das Armband ist von ihm, oder?
    Ich hab’s gesehen, dass er es gekauft hat, obwohl er nicht wollte, dass ich es mitkriege.
    Er ist der beste Mensch, den ich kenne. Abgesehen von dir.
    Jetzt ist zehn nach halb.
    Ich weiß nicht, ob ich hergekommen wäre, wenn du nicht im Koma liegen würdest. So muss ich wenigstens nicht aushalten, was du zu mir sagst. Ich kann dich einfach ansehen und dir sagen, wie leid es mir tut. Und dass ich ziemlich genau weiß, dass ich auch für dich nur eine Last bin. Genauso wie für Sebastian.
    In meinen Träumen, ja, da bin ich vielleicht mutig und sage einen Haufen toller Dinge. Da lasse ich nicht alles mit mir machen und stelle mir vor, ich sei eine Amazone, die mit einem Bogen auf ihre Feinde zielt.
    Da habe ich keine Angst.
    Weißt du, ich muss die ganze Zeit darüber nachdenken, was Miriam eben zu mir gesagt hat.
    Sie meinte, es sei mutig von mir hierherzukommen. Sie hat mich angesehen und gelächelt. Ich glaube sogar, sie hat es ernst gemeint.
    Aber ich fühle mich überhaupt nicht mutig. Das, was du getan hast, das war mutig. Aber dass ich es auf die Reihe gekriegt habe, jetzt hier an deinem Bett zu sitzen, das ist doch kein Mut. Das ist höchstens ein winziger Versuch, mich nicht ganz so schrecklich zu fühlen. Obwohl ich weiß, dass ich auch jetzt überhaupt keine Hilfe bin. Denn selbst wenn es stimmt, dass wir dir eine Brücke bauen, damit du zurückkommst von der anderen Seite, dann sollten hier doch Menschen sitzen, auf die du dich freuen kannst, die stark sind und sich nicht hinter dir verstecken.
    Miriam ist so komisch. Sie sagt, mutig sein kann nur der, der Angst hat. Sonst ist es kein Mut. So gesehen könnte ich vielleicht die Mutigste von allen sein. Mit Angst kenne ich mich jedenfalls aus.
    Aber heißt das dann eigentlich, dass du auch Angst hattest? Man hat es dir nicht angemerkt, aber wahrscheinlich war es so. Warum hast du es dann nicht gesagt?
    Ich frage mich wirklich zum ersten Mal, ob du vielleicht wie ich gebibbert hast, als du dich mit Markus angelegt hast. Und ich weiß die Antwort eigentlich schon.
    Aber ich wollte nicht, dass du Angst hast, und deshalb habe ich so getan, als sähe ich es nicht.
    Ich wollte nicht, dass du Angst hast, weil ich davon schon selbst genug hatte. Ich wollte, dass du stark und mutig bist, am besten gleich für mich mit.
    Aber wenn das stimmt, was Miriam sagt, dann heißt das doch, dass man gar nicht auf den Tag warten muss, an dem man keine Angst mehr hat. Sondern auch wenn man vor Angst schlottert, tut man was. Und das ist dann Mut.
    So hab ich das noch nie gesehen.
    Wenn du aufwachst, wie wird das dann für dich sein? Wirst du das alles bereuen, was du für mich getan hast?
    Du wirst dich vielleicht daran erinnern, dass du jemanden gebraucht hättest, der neben dir steht und mit dir kämpft. Und niemanden, der sich hinter dir versteckt wie hinter einem Schutzschild.
    Aber ich dachte, ich könnte dir doch sowieso keine Hilfe sein. Du warst doch so stark, wie hätte ich dir da helfen können?
    Aber vielleicht war das falsch.
    Ich weiß ja nicht mal, ob du es so siehst. Aber ich will dich das fragen, wenn du aufwachst. Denn vielleicht ist das dann ja auch bei Basti so. Vielleicht braucht er mich genauso wie ich ihn. Vielleicht braucht er mich dazu, beim Jugendamt anzurufen. Er würde es für sich selbst nie tun, das weiß ich.
    Er sagt, er mache das eigentlich nur wegen mir nicht. Weil er nicht will, dass ich ins Heim komme oder so.
    Manchmal glaube ich, wenn er sich nicht mehr um mich kümmern könnte, gibt er auf. So hat er immerhin noch was, was ihn von sich selbst ablenkt.
    Das war auch so, als wir in den Kanus waren und er gekentert ist: Ich hab genau gewusst, dass er am liebsten endlich Schluss gemacht hätte. Wenn ich nicht wäre, hätte er es auch getan. Es kommt dir vielleicht komisch vor, aber… ich kann es nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher