Wach nicht auf!: Roman (German Edition)
wenn Sie uns also entschuldigen würden …«
Fritz beugte sich an Anne vorbei und streckte Sam die CD -Hülle hin. »Hier, meine Liebe, Sie können sich das hier anhören, während Sie sich ausruhen.«
Sam warf einen Blick auf die Hülle und schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht. Ich tue wohl besser, was Anne sagt.« Sie deutete auf den Tresen. »Wenn Sie sie bitte dorthin legen würden, höre ich sie mir später an.«
Fritz blickte auf seine Hand. »Ja … ja«, murmelte er. »Tut mir leid, dass ich Sie gestört habe.« Er legte die CD auf den Tresen und ging.
»Ich glaube, wir haben ihn verletzt.« Sam seufzte, nachdem die Tür leise zugegangen war. »Es war nett von ihm, mir eine CD mit seiner Musik zu brennen.«
»Sie können sich später bei ihm bedanken«, antwortete Anne. »Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Sie die Anweisungen des Arztes befolgen, und nicht, Fritz’ Gefühle zu schonen.«
Lautlos schimpfend, weil Anne so herrisch war, machte Sam ihr absichtlich die Badezimmertür vor der Nase zu und zog sich rasch um. So ein Theater wegen nichts. Sicher, in dem kurzen Moment, in dem ihr Kopf gegen den Pfosten geprallt war, war ein Gefühl der Panik in ihr aufgestiegen, aber alles war so schnell geschehen, dass sie gar keine Zeit zum Reagieren gehabt hatte. Der Gedanke, sie könnte sich noch einmal eine Kopfverletzung holen, setzte ihr zu, aber sie hatte nicht die Absicht, für den Rest ihres Lebens mit einem Helm herumzulaufen, was gab es also für eine Alternative? Sie dachte an ihren Spaziergang am Vormittag zurück. Sie hatte beschlossen, dass das Wort Angst nicht mehr zu ihrem Wortschatz gehören sollte. Jetzt war die perfekte Gelegenheit, ihren neuen Entschluss in die Praxis umzusetzen. Sie würde die Anweisungen des Arztes befolgen, und bis zum Morgen wäre alles wieder in Ordnung. Zufrieden ging sie ins Schlafzimmer und legte sich ins Bett. Gleich darauf klopfte es an der Tür, und Anne kam mit einem Glas Wasser und einem Fläschchen Ibuprofen herein. Sie schüttelte ein paar Tabletten heraus und reichte sie Sam zusammen mit dem Wasser. Sam setzte sich auf und spülte die Tabletten runter, während Anne zum Fenster ging und die Jalousien so weit herunterließ, dass der Raum in Halbdunkel getaucht war.
An der Tür blieb Anne stehen. »Ruhen Sie sich aus, und wenn Sie irgendwas brauchen, rufen Sie einfach nach mir.«
Sam nickte gähnend. Sie war müde, dachte sie und ließ sich ins Bett zurücksinken. Sie schloss die Augen und wartete auf den Schlaf, aber jedes Geräusch wirkte überlaut. Sie konnte Anne in der Küche rumoren und ein Boot auf dem See vorbeibrausen hören – selbst ihre Nachttischuhr tickte jede Sekunde. Sie gab auf und setzte sich im Bett hoch. Ihr Skizzenblock lag neben ihr, aber ihr war nicht nach Zeichnen zumute. Ihr Blick fiel auf ein Buch, das auf der Frisierkommode lag. Sie stand auf, ging hinüber und nahm es zur Hand. Es war das Buch, das Jackson gelesen hatte: Wo in Minnesota Geister hausen – Ein Führer. Sie blätterte es durch, während sie zum Bett zurückkehrte und hineinschlüpfte.
Sie überflog die Seiten mit den üblichen Geschichten von indianischen Geisterprinzessinnen, die an den Ufern nebliger Seen herumstrichen, von verirrten Bergleuten, die noch immer in aufgegebenen Minen schufteten, und von Waldhäusern, die von Poltergeistern heimgesucht wurden. Dann fiel ihr das letzte Kapitel des Buches ins Auge.
Es war die Geschichte eines Ferienhauses in der Nähe des Elk Horn Lake, in dem Urlaubsgäste viele Jahre lang vom lästigen Geist einer jungen Frau genervt worden waren. Dieses boshafte Gespenst schien es besonders zu genießen, Gegenstände zu verstecken, die den ahnungslosen Besuchern gehörten, und sie aus tiefem Schlaf aufzuschrecken.
Gegenstände zu verstecken? War nicht das mit ihrer Bürste und dem Foto passiert, das Jackson ihr einmal geschenkt hatte?
Sie schnaubte leise. In gewisser Weise wäre es tröstlich, die Schuld auf einen ruhelosen Geist zu schieben, statt davon auszugehen, dass ihr eigener Kopf nicht so funktionierte, wie er es sollte. Mit einer Grimasse warf sie das Buch zur Seite und machte es sich im Bett bequem. Sie legte den Arm übers Gesicht und schloss die Augen.
Ihr Traum entfaltete sich vor ihren Augen, als beobachtete sie einen Film. Sie war anwesend, aber nicht am Geschehen beteiligt, sondern nur eine Zuschauerin … Das grüne Licht der Armaturen warf unheimliche Schatten auf die Gesichter eines Mannes und einer
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