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Wach nicht auf!: Roman (German Edition)

Wach nicht auf!: Roman (German Edition)

Titel: Wach nicht auf!: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess McConkey
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bildeten den Hintergrund zu dem Stimmengewirr. Beide Räume zierten große Vasen mit frischen Wildblumen. Und entlang der einen Wand stand ein Buffet mit Appetithappen. Zwei ältere Schülerinnen aus der Gegend trugen Tabletts mit Gläsern voll Wein, Eistee und Limonade herum. Von dort, wo sie stand, konnte sie eine Girlande hell leuchtender Papierlaternen entlang des Verandageländers sehen. Die ganze Atmosphäre sowohl innerhalb als auch außerhalb des Hauses war eine Studie in lässiger Eleganz.
    Anne betastete einen ihrer winzigen, goldenen Ohrringe und versuchte, sich nicht fehl am Platz zu fühlen. Sie sah nicht fehl am Platz aus – das wusste sie. Die Tunika, die Sam ihr unbedingt hatte kaufen wollen, floss in eleganten, schimmernden Falten an ihrem Körper herunter, und die weiße Leinenhose, die sie hinten aus ihrem Kleiderschrank hervorgewühlt hatte, passte noch immer. Sogar Make-up hatte sie aufgelegt. Sie ließ die Hand sinken und spürte, wie ihre Lippen sich zu einem leichten Lächeln verzogen. Als sie aus ihrem Schlafzimmer gekommen war, war Caleb so überrascht von ihrer Erscheinung gewesen, dass er sie scherzhaft gefragt hatte, was sie mit seiner Mutter angestellt habe. Das war einmal etwas Neues – dass er sie als eigenständige Person und nicht einfach nur als seine Mom wahrnahm.
    Sie beobachtete, wie eine der Schülerinnen sich einer Gruppe von Gästen näherte, und sah, dass diese nach den Getränken griffen, ohne das Mädchen eines einzigen Blickes zu würdigen. Für sie war es ebenso Teil der Dekoration wie die Kerzen und die Blumen. Ohne Sams Einmischung hätte Anne den Platz der Schülerin eingenommen. Statt aufgebrezelt hier zu stehen und Grüße mit Leuten zu tauschen, die sie seit Jahren kannte, wäre sie für die Gäste so unsichtbar gewesen wie die Schülerin.
    Es war schön, einmal nicht einfach nur eine Mutter zu sein. Es war schön, einmal nicht unsichtbar zu sein. Und das hatte sie Sam zu verdanken. Doch dieser Gedanke beunruhigte sie auch. Einerseits wusste sie Sams Nettigkeit zu schätzen, andererseits wollte sie sich ihr aber nicht zum Dank verpflichtet fühlen. Bisher war immer sie diejenige gewesen, die etwas für andere tat. Der Rollentausch machte sie verlegen.
    Sie drehte den Kopf ein wenig und sah sich nach Sam um. Das lavendelblaue Kleid und das purpurrote Schultertuch passten perfekt zum Teint der jungen Frau, und sie war nicht mehr so krankhaft bleich wie noch vor Wochen – dafür hatten die Stunden gesorgt, die sie auf Annes Geheiß draußen hatte verbringen müssen. Da der neue Haarschnitt ihr hageres Gesicht weicher machte, wirkte sie auch nicht mehr so zerbrechlich wie zuvor.
    Anne war klar, dass sie nicht die Einzige war, der Sams Veränderung aufgefallen war. Dr. Van Horn hatte diese ebenfalls bemerkt. Das sah man seinem Gesicht an, wenn er Sam anschaute. Er betrachtete sie aufmerksam und lächelnd – seine herablassende Haltung war verschwunden. Anne zog die Augenbrauen zusammen. Vielleicht trug dazu ja noch mehr bei als nur ihr Äußeres. Sam hatte echten Mumm gezeigt, als sie sich gegen ihn durchgesetzt und Roxy behalten hatte, und der ganze Vorfall schien ihr Selbstvertrauen gestärkt zu haben. Hoffentlich war es das, worauf er reagierte.
    Plötzlich wurde Anne aus ihren Gedanken gerissen. Sie sah, wie Sam aufkeuchte und ihr ganzer Körper sich anspannte. Anne drehte sich um und erkannte sogleich, was Sams Aufmerksamkeit erregt hatte. Die Brightons waren eingetreten, und zwar nicht nur Kimberly, Irene und Ted Nr. zwei, sondern sie hatten auch Teddy im Schlepptau. Der war mit einem lässigen Sportshirt und gebügelten Khakihosen bekleidet, trug ein hochmütiges Lächeln im Gesicht und blickte sich ungezwungen im Raum um, während seine Eltern und seine Großmutter einen Neuankömmling begrüßten, der bei der Tür stand. Als Teddys Augen auf Sam trafen, verschwand das Grinsen aus seinem Gesicht, und er beugte sich zu seinem Vater. Anne war zu weit entfernt, um seine Worte zu verstehen, sah aber, wie Ted Nr. zwei nickte, seine Mutter beim Arm ergriff und die Gruppe genau auf sie zuführte.
    »Bringen Sie mich hier raus«, zischte Sam.
    »Wagen Sie es nicht, die Flucht zu ergreifen«, erwiderte Anne mit strenger Stimme. »Sie halten hier die Stellung.«
    »Ich kann nicht.«
    Anne zog Sam am Ärmel und veranlasste diese, sich ihr zuzuwenden. »Doch, das können Sie. Diesem kleinen Hobby-Soziopathen wäre es eine besondere Genugtuung, Ihre Angst zu sehen.

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