Wach nicht auf!: Roman (German Edition)
Sam wirkte erschüttert, und es war sinnlos, Edward nachzujagen. Er hatte seinen Stolz und würde es nicht gut finden, wenn sie ihn zu einer neuen Art von Behandlung drängte. Sie würde morgen bei Dunlap’s vorbeigehen, und wenn sie ihn von Esther weglotsen konnte, würde sie ihn davon überzeugen, dass er nicht aufgeben durfte. Und auch wenn das Thema Blanche tabu war, würde sie doch gerne verstehen, warum er sie plötzlich erwähnt hatte.
Anne wandte sich wieder Sam zu. »Was war denn das?«
»Ich … ich … weiß es nicht«, antwortete Sam und eilte zum Wagen. Sie riss die Tür auf und setzte sich hinein. Anne folgte ihr, nahm den Fahrersitz ein und wandte sich Sam zu.
Diese saß mit geschlossenen Augen da und hatte den Kopf gegen die Rücklehne gelehnt.
»Haben Sie den Song erkannt, den ich gesungen habe?«, fragte sie, ohne die Augen zu öffnen.
»Weiß nicht – ich glaube, er war alt.«
Sam hob den Kopf, rückte vor und blickte durch die Windschutzscheibe nach draußen. »Das Einzige, woran ich mich von dieser Nacht erinnere, ist der Traum, den ich hatte.« Sie zögerte und schauderte zusammen. »Ich war auf einer Party – bei Fritz –, aber alles war anders.«
»In welcher Hinsicht?«
Sam schüttelte den Kopf. »Alle waren anders gekleidet – als wären sie wieder in den Achtzigern zurück oder so. Und Fritz war da, aber er wirkte viel jünger.« Sie rieb sich die Stirn und schloss wieder die Augen, als versuchte sie, sich zu erinnern. »Eine Frau hat mit einem Mann geflirtet, den ich nicht erkannt habe, und dann hat sie zu singen begonnen.«
Anne fragte sich, ob sie Sam erzählt hatte, dass das genau ihrem Verhalten bei Fritz entsprach. Nein, sie würde abwarten und sich den Rest der Geschichte anhören.
Sam schlug die Augen auf und lehnte sich zurück. »Der Traum veränderte sich, und ich war plötzlich im Wald beim See. Eine Frau weinte auf einem Steg, aber in der Dunkelheit konnte ich nicht sehen, wer es war.« Sie stieß einen langen Atemzug aus. »Das war alles.« Sie verstummte.
Anne dachte auf dem Steuerrad herumklopfend über eine Erklärung nach. Da ihr keine einfiel, startete sie den Wagen und setzte rückwärts aus der Parklücke.
»Finden Sie das nicht merkwürdig?«, fragte Sam.
Anne zuckte mit den Schultern und bog in die Straße ein. »Die meisten Träume sind merkwürdig. Und nach allem, was Sie durchgemacht haben …« Sie verstummte.
»Aber es ist, als hätte ich von etwas geträumt, was tatsächlich in der Vergangenheit geschehen ist. Und ist Ihnen nicht aufgefallen, wie das Gespräch immer wieder auf Blanche Jones kommt? Fritz hat sie erwähnt – und Edward hat sie ebenfalls erwähnt.«
»Schauen Sie, das Ferienhaus hat ein paar Sommer lang leer gestanden«, meinte Anne mit einem Blick in Sams Richtung. »Jetzt wohnen Sie da, und das hat ein paar Erinnerungen aufgewühlt.«
»Aber selbst Jackson hat von ihr gesprochen.«
Anne legte den Kopf schief. »Dr. Van Horn hat Blanche gekannt?«
»Ich glaube nicht, dass er sie tatsächlich gekannt hat. So, wie er es ausgedrückt hat, hat sie in dem Sommer, in dem er hier war, einfach nur ein paar seiner Teenagerfantasien befeuert.«
»Hat er deshalb das alte Haus gemietet?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte Sam.
»Ich würde mir keine Sorgen deswegen machen.« Anne warf Sam einen zuversichtlichen Blick zu. »Vergessen Sie den Traum. Falls Ihr Verdacht stimmt und Sie unter Drogen gesetzt wurden, können Sie ihn dem zuschreiben. Konzentrieren Sie sich lieber darauf, Ihre Kräfte zurückzugewinnen.«
Sam sog an ihrer Unterlippe. »Vermutlich haben Sie recht. Vielleicht hat das Reden über Blanche den Weg in mein Unterbewusstsein gefunden, und das hat darauf mit dem Traum reagiert.«
Anne atmete erleichtert auf. Sam hatte auch so schon genug Probleme, da brauchte sie sich nicht auch noch in die Geschichte einer Frau zu verbeißen, die schon lange nicht mehr am See wohnte. Wenn Fritz Anne das nächste Mal über den Weg lief, würde sie ein paar Hinweise darauf fallen lassen, dass er Sam künftig mit Geschichten über die »guten alten Zeiten« und insbesondere Blanche Jones verschonen sollte.
21
Auf der Rückfahrt mit Anne zum See trommelte Sam mit den Fingern auf dem Autositz herum. Im Kofferraum lagen Tüten voller Malutensilien, wie sie sie seit Jahren nicht mehr gekauft hatte. In dem kleinen Laden hatte es keine große Auswahl gegeben, aber für den Anfang würde es reichen. Sollte sie feststellen, dass sie mehr
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