Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
bleibt er unbefriedigt. Bei der Ernährung des Königs geht es darum, eine – Verbindung zu den Untertanen zu schaffen. Es ist wie eine lebende Allegorie. Die Krone wird dem Volk nähergebracht«, fügte er Wonse hinzu.
    »Was die Art der Nahrung betrifft…«, begann der oberste Dieb und erstickte fast an den Worten. »Sprechen wir hier von jungen Frauen?«
    »Das ist ein weit verbreitetes Vorurteil«, sagte Wonse. »Das Alter spielt keine Rolle. Ganz im Gegensatz zum Familienstand. Und der sozialen Stellung. Hat irgend etwas mit dem Geschmack zu tun, glaube ich.« Er beugte sich vor, und in seiner Stimme vibrierten nun Schmerz und Entsetzen. Die Ratsmitglieder glaubten, daß der Sekretär nun zum erstenmal mit seiner eigenen, wahren Stimme sprach. »Denkt darüber nach!« drängte er. »Nur einmal im Monat! Und wir bekommen soviel dafür! Die Familien derjenigen, die dem König nützlich sind – damit meine ich insbesondere die Kronräte –, werden natürlich nicht in Betracht gezogen. Und stellt euch nur mal alle die Alternativen vor…«
    Die Würdenträger stellten sich nicht alle Alternativen vor. Eine genügte völlig.
    Bedrücktes Schweigen herrschte, und gleichzeitig setzte Wonse seine Appelle an die Vernunft des Überlebens fort. Die Ratsmitglieder saßen steif und stumm, wagten es nicht, sich anzusehen – aus Furcht davor, was sich in den Gesichtern der anderen widerspiegelte. Jeder von ihnen dachte:
Gleich meldet sich jemand zu Wort und erhebt Einwände, und dann brumme ich zustimmend, ohne etwas zu
sagen,
nein, so dumm bin ich nicht, ein festes Murmeln genügt, um keinen Zweifel daran zu lassen, daß ich nichts von dieser Sache halte, ja, bei solchen Gelegenheiten sollte jeder anständige Mann fast aufstehen und beinahe die Stimme zum Protest erheben…
    Aber alles blieb still.
Ihr Feiglinge,
dachte jedes Ratsmitglied.
    Niemand rührte den Pudding an, auch nicht die ziegelsteindicken Schokoladenplätzchen, die anschließend serviert wurden. Mit verlegenem, kummervollem Entsetzen lauschten sie Wonses Stimme, und als die Gildenrepräsentanten den Saal nach einer halben Ewigkeit verließen, versuchten sie, einen möglichst großen Abstand zueinander zu wahren, um Gespräche zu vermeiden.
    Der Kaufmann bildete die einzige Ausnahme. Er trat an der Seite des Chefmeuchlers nach draußen, und beide überlegten fieberhaft, als sie nebeneinander über den Weg gingen. Das Oberhaupt der Kaufmannsgilde versuchte, die Dinge positiv zu sehen. Er gehörte zu den Leuten, die Gemeinschaftssingen veranstalten, wenn sich eine Katastrophe anbahnt.
    »Nun, nun«, sagte er. »Jetzt sind wir also Kronräte. Bemerkenswert.«
    »Hmm«, erwiderte der Meuchelmörder.
    »Ich frage mich, welche Unterschiede es zwischen gewöhnlichen Stadträten und Kronräten gibt«, überlegte der Kaufmann laut.
    Der Meuchelmörder schnitt eine Grimasse. »Wahrscheinlich sind wir deshalb zu Kronräten ernannt worden, weil wir nie eine Krone tragen werden.«
    Er starrte wieder zu Boden und dachte erneut an die letzten Worte des Sekretärs, als er ihm die schlaffe Hand geschüttelt hatte.
Ob sie außer mir jemand gehört hat? Unwahrscheinlich. Sie sind nicht laut gewesen, beschränkten sich
nur auf vage Konturen…
Wonse hatte die Lippen bewegt, als er in das mondbleiche Gesicht des Meuchelmörders blickte.
    Hilf. Mir.
    Der Meuchelmörder schauderte. Warum ausgerechnet er? Soweit es ihn betraf, konnte er nur eine Art von Hilfe gewähren, und die Leute baten nur selten darum. Tatsächlich bezahlten sie viel Geld, um sie als Überraschung anderen Personen anzubieten. Er fragte sich, was Wonse dazu veranlaßte, eine solche Alternative für erstrebenswert zu halten…

    W onse saß allein in dem großen verheerten Saal. Er wartete.
    Natürlich konnte er zu fliehen versuchen. Aber das Ungetüm würde ihn bestimmt finden, ganz gleich, wo er sich aufhielt. Es witterte sein Bewußtsein.
    Oder es beschloß, ihn zu verbrennen. Das war noch viel schlimmer. So wie die Brüder.
Vielleicht
handelte es sich um einen sofortigen Tod, es
sah
wie ein sofortiger Tod aus, aber wenn Wonse des Nachts wach im Bett lag, überlegte er immer wieder, ob sich jene letzten Mikrosekunden zu einer unglaublich heißen subjektiven Ewigkeit dehnten, während der alle Teile des Körpers zu kochendem Plasma wurden und das Denken und Empfinden Gelegenheit bekam, jede einzelne Schmerzphase detailliert zu erleben…
    Mach dir keine Sorgen. Dich würde ich nicht verbrennen.
    Es war keine

Weitere Kostenlose Bücher