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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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»wir sind sehr bemüht gewesen, äh, ich meine, wir haben uns wirklich konzentriert. Nicht wahr, Jungs?«
    »Ja«, antworteten die übrigen Brüder wie aus einem Mund. Der Oberste Größte Meister bedachte sie mit einem durchdringenden Blick.
    »In dieser Bruderschaft gibt es keinen Platz für Brüder, die nicht voll und ganz hinter uns stehen«, warnte er.
    Die Brüder seufzten so erleichtert wie erschrockene Schafe, die gerade feststellten, daß sich ein Gatter des engen Pferchs öffnete. Sie stürmten sofort darauf zu.
    »Mach dir deshalb keine Sorgen, Größter aller Größten Obersten Meister«, sagte Bruder Wachturm feurig.
    »Hingebungsvoller Eifer – so lautet unsere Losung!« rief der Oberste Größte Meister.
    »Losung, ja«, bestätigte Bruder Wachturm. Er stieß Bruder Stukkateur an, dessen Blick erneut zur Fußleiste glitt.
    »Wie?« murmelte er. Und dann, etwas lauter: »Oh. Ja. Losung. Klar.«
    »Und Vertrauen und Brüderlichkeit«, fügte der Oberste Größte Meister hinzu.
    »Genau«, bekräftigte Bruder Finger. »Das auch.«
    »Also
gut«,
brummte der Oberste Größte Meister. »Wenn es jemanden unter uns gibt, der nicht eifrig bemüht beziehungsweise nicht
versessen
darauf ist, das große Werk fortzusetzen, so möge er jetzt vortreten.«
    Niemand bewegte sich.
    Ich habe sie am Wickel,
dachte der Oberste Größte Meister.
Bei allen Göttern, in dieser Hinsicht bin ich wirklich gut! Ihre schlichten und naiven Gemüter sind wie Knetmasse für mich. Meine Güte, die Kraft der Banalität ist wahrhaft erstaunlich! Wer hätte gedacht, daß sie nachhaltiger wirkt als Stärke? Aber man
muß wissen, wie man sie in die richtige Richtung lenkt. Und ich weiß, worauf es dabei ankommt.
    »Na schön«, sagte er. »Und jetzt wiederholen wir den Schwur.«
    Er sprach die Eidformel, lauschte den stotternden, ängstlichen Stimmen der Brüder und erlaubte sich in Gedanken ein anerkennendes Nicken, als er hörte, wie widerstrebend sie das Wort ›Wabbel‹ formulierten. Außerdem behielt er Bruder Finger im Auge.
    Er ist ein wenig intelligenter als die anderen,
dachte der Oberste Größte Meister.
Besser gesagt: Er ist nicht ganz so leichtgläubig. Ich sollte darauf achten, immer als letzter zu gehen. Sonst kommt er auf die Idee, mir nach Hause zu folgen.

    M an benötigt eine besondere Denkweise, um eine Stadt wie Ankh-Morpork zu regieren, und Lord Vetinari brachte alle notwendigen Voraussetzungen mit. Kein Wunder: Er war ein besonderer Mann.
    Er verwirrte und verärgerte die Handelsherrn so sehr, daß sie schon vor Jahren alle Versuche eingestellt hatten, ihn umbringen zu lassen. Fortan konzentrierten sie ihren Ehrgeiz darauf, sich gegenseitig aus dem Weg zu räumen. Nun, einem Meuchelmörder wäre es ohnehin alles andere als leicht gefallen, beim Patrizier genug Fleisch zu finden, um einen Dolch hineinzustoßen.
    Während sich andere Lords von Lerchen und gepökelten Pfauenzungen ernährten, hielt Lord Vetinari ein Glas abgekochtes Wasser und eine Scheibe trockenes Brot für völlig ausreichend.
    Der Patrizier konnte einen wirklich zur Verzweiflung bringen. Er schien überhaupt kein entdeckbares Laster zu haben. Das blasse pferdeartige Gesicht schien darauf hinzudeuten, daß er gern mit Peitschen und Nadeln umging, daß er großen Gefallen an jungen Frauen in dunklen Kerkern fand. Derartige Neigungen hätten die anderen Lords sofort akzeptiert. Mit Peitschen und Nadeln war ihrer Ansicht nach alles in Ordnung, solange man das Maß wahrte. Doch der Patrizier verbrachte den Abend offenbar damit, Berichte zu lesen und bei besonderen Anlässen – wenn er sich ein wenig Aufregung wünschte – Schach zu spielen.
    Er zog schwarze Kleidung vor. Es handelte sich nicht um ein sehr beeindruckendes Schwarz, wie es die besten Meuchler benutzten. Nein, es war das ernste, etwas schäbige Schwarz eines Mannes, der morgens nicht darüber nachdenken möchte, was er anziehen soll. Man mußte früh aufstehen, wenn man es auf den Patrizier abgesehen hatte. Besser noch: Man sollte erst gar nicht zu Bett gehen.
    Doch er erfreute sich auch einer gewissen Beliebtheit. Seine Herrschaft brachte zum erstenmal seit tausend Jahren
Ordnung
in die Stadt. Sie war nicht fair oder demokratisch, aber sie
funktionierte.
Er pflegte sie mit der gleichen Hingabe, die ein Gärtner Ziersträuchern entgegenbringt: Ab und zu ermutigte er hier das Wachstum oder schnitt dort einen unpassenden Zweig ab. Es heißt, Lord Vetinari toleriere praktisch alles,

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