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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Gedanken zu fassen, daß sich sein schweißfeuchtes breites Gesicht in eine Grimasse verwandelte.
    »Schie isch acht Meilen breit, Schör«, entgegnete der Feldwebel schließlich. »Und mitten drin fliescht ein Flusch, ich meine, schtrömt ein Schtrom. Auscherdem gibt’sch hier viele Häuscher und scho.«
    »Ah. Ah. Ah.« Mumm richtete einen unsicher zitternden Zeigefinger auf Colon. »Ich habe nie, nie, nie,
nie
geschagt, dasch schie eine kleine Frau ischt. Schtimmt’sch?« Er winkte mit der Flasche, und ein anderer Zufallsgedanke kroch aus dem Schaum seines Geistes.
    »Wir haben’sch ihnen gezeicht«, sagte er aufgeregt und schlurfte zusammen mit den anderen drei Wächtern zur gegenüberliegenden Mauer. »Ja, wir haben ihnen eine Lexion erteilt, nich wahr? Eine Lexion, die schie beschtimmt nich scho schnell vergeschen werden.«
    »Da hascht du vollkommen recht«, bestätigte der Feldwebel, aber es klang nicht sonderlich begeistert. Colon dachte noch immer über des Geschlechtsleben seines vorgesetzten Offiziers nach.
    Doch in der gegenwärtigen Stimmung brauchte Mumm gar keine Ermutigung.
    »Ha!« rief er in die dunklen Gassen. »Bin ich vielleicht zu laut für dich? Schläfscht du noch? Nun, dasch läscht sich ändern!« Der Hauptmann warf die leere Flasche hoch.
    »Zwei Uhr!« rief er. »Und alles ischt guuuut!«
    Das wunderte die verschiedenen finsteren Gestalten, die den vier Männern schon seit einer ganzen Weile folgten. Nur reines Erstaunen hatte sie bisher davon abgehalten, ihre Aufmerksamkeit ganz deutlich zu zeigen.
Es sind Wächter,
dachten sie immer wieder.
Sie tragen die richtigen Helme und den Rest, aber sie befinden sich in den Schatten.
Mumm und seine Begleiter wurden mit der Faszination von Wölfen beobachtet, deren verblüffte Blicke mehreren Schafen galten, die über eine Lichtung torkelten, verspielt gegeneinanderstießen und mehr oder weniger unverständliche Laute von sich gaben. Das letztendliche Ergebnis bestand zweifellos aus einer leckeren Mahlzeit, aber zunächst gab der Appetit interessierter Neugier den Vorrang.
    Karotte hob benommen den Kopf.
    »Wo sin wir?« stöhnte er.
    »Auf dem Weg nach Hausche«, erwiderte der Feldwebel. Er betrachtete ein rissiges, von Würmern zerfressenes und von Messern zerkratztes Schild. »Wir gehen gerade durch die, durch die, durch die…« Er kniff die Augen zusammen. »Durch die Schätzchengasse.«
    »Die Schätzchengasche ischt nich der richtige Heimweg«, brachte Nobby undeutlich hervor. »Wir möchten gar nich durch die Schätzchengasche gehen, weil schie schich nämlich in den Schatten befindet. Meine Güte, wenn wir durch die Schätzchengasche gingen…«
    Einige Sekunden lang herrschte beunruhigte Stille. Plötzliches Verstehen entfaltete die gleiche Wirkung wie zehn Stunden ungestörter Schlaf und mehrere Tassen Mokka. Mumm, Colon und Nobby trafen eine stumme Übereinkunft und drängten sich in Karottes unmittelbarer Nähe zusammen.
    »Was schollen wir jetzt
tun,
Hauptmann?« fragte der Feldwebel.
    »Äh«, erwiderte Mumm. »Wie wär’s, wenn wir um Hilfe rufen?«
    »Wasch,
hier?«
    »Ein guter Hinweisch.«
    »Ich schätze, wir schind nach der Silberschtraße links abgebogen und nicht nach rechts«, sagte Nobby mit zittriger Stimme.
    »Nun, dieschen Fehler werden wir scho schnell nich wiederholen«, entgegnete der Hauptmann. Gleich darauf wünschte er sich, auf diese Antwort verzichtet zu haben.
    Sie hörten Schritte. Irgendwo links von ihnen kicherte jemand.
    »Wir müschen ein Kwadrat bilden«, sagte der Hauptmann. Sie alle versuchten, einen Punkt zu formen.
    »He!« entfuhr es Feldwebel Colon. »Wasch war das?«
    »Wasch denn?«
    »Ich hab’s schon wieder gehört. Irgendein ledriges Geräusch.«
    Hauptmann Mumm gab sich alle Mühe, nicht an Kapuzen und Garrotten zu denken.
    Er wußte, daß viele Götter existierten. Es gab einen Gott für jedes Gewerbe: einen Gott für Bettler, eine Göttin für Huren, einen Gott für Diebe, wahrscheinlich sogar einen Gott für Meuchelmörder.
    Er fragte sich, ob es irgendwo in dem gewaltigen Pantheon auch einen Gott gab, der voller Wohlwollen auf bedrängte und eigentliche völlig unschuldige Hüter des Gesetzes herabblickte, deren Lebenserwartung sich gerade drastisch reduziert hatte.
    Wahrscheinlich nicht, dachte Mumm bitte. Vermutlich hielten Götter so etwas für unter ihrer Würde. Welcher Gott, der etwas auf sich hielt, verschwendete seine göttliche Aufmerksamkeit an irgendwelche armen Burschen,

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