Wachen! Wachen!
atmete tief durch. »Heute abend versuchen wir eine zweite experimentelle Beschwörung. Habt ihr geeignete Rohstoffe mitgebracht, Brüder?«
»…
geschrubbt und geschrubbt habe ich die verdammten Dinger, aber wer dafür ein Dankeschön erwartet…«
»Es ist alles vorbereitet, Oberster Größter Meister«, versicherte Bruder Wachturm.
Diesmal war die Sammlung ein wenig besser, fand der Größte Meister. Ja, die Brüder hatten sich wirklich Mühe gegeben. Besondere Aufmerksamkeit verdiente ein leuchtendes Tavernenschild, dessen Entfernung normalerweise einen Orden verdiente. Derzeit leuchtete das E in einem gräßlichen Rosarot und flackerte in unregelmäßigen Abständen.
»Das habe
ich
besorgt«, sagte Bruder Wachturm stolz. »Die Leute dachten, ich nähme eine Reparatur vor. Statt dessen hab ich’s mit dem Schraubenzieher abgeschraubt und…«
»Ja, gut gemacht«, warf der Oberste Größte Meister ein. »Zeigt Initiative.«
»Danke,
Oberster Größter Meister.« Bruder Wachturm strahlte.
»…
meine Hände sind ganz wund vom Schrubben, wund und gerötet, und seht euch nur die rissige Haut an, und die drei Dollar habe ich natürlich nicht zurückbekommen, nein, es fällt niemandem ein, meine Auslagen zu erstatten, man hört nicht einmal ein einfaches Danke…«
»Und nun«, sagte der Oberste Größte Meister und griff nach dem Buch, »fangen wir an zu beginnen. Sei endlich still, Bruder Verdruß!«
I n jeder Stadt des Multiversums gibt es einen Bezirk, den man mit den Schatten von Ankh-Morpork vergleichen kann. Für gewöhnlich ist er das älteste Viertel. Die Straßen beziehungsweise Gassen befinden sich dort, wo man vor Jahrhunderten Kühe zum Fluß führte, und ihre Namen lauten Chaospfad, Krähenhorst, Weg-des-höhnischen-Lachens und dergleichen.
Nun, diese Beschreibung gilt prinzipiell für den größten Teil von Ankh-Morpork, aber in besonderem Maße für die Schatten – sie sind eine Art Schwarzes Loch eingebauter Gesetzlosigkeit. Man kann es folgendermaßen ausdrücken: Selbst
Verbrecher
fürchteten sich dort in den Straßen. Die Wächter hielten sich von jenem Viertel fern.
Doch jetzt betraten sie es, wenn auch nicht unbedingt absichtlich. Eine anstrengende Nacht lag hinter ihnen; sie hatten sich beruhigt und ihre Nerven gestärkt. Tatsächlich waren sie jetzt so ruhig und stark, daß sich jeder von ihnen auf die Hilfe der drei anderen verließ, um auf den Beinen zu bleiben.
Hauptmann Mumm gab die Flasche dem Feldwebel zurück.
»Es ischt eine.« Er dachte einige Sekunden lang nach. »Schande. Betrunken in Gegenwart desch vor, vorge, vorgesch, vorgeschetzten Offischiers.«
Colon versuchte zu antworten, doch seine Zunge war ihm im Weg.
»Schetz dich auf die Ankl-l-l, Anklagebank«, sagte Hauptmann Mumm und prallte von der Wand ab. Eine Zeitlang starrte er auf die Mauersteine. »Diesche Wand hat mich angegriffen«, erklärte er. »Ha! Hältscht dich wohl für knallhart, wasch! Aber ich bin ‘n Offischier der Wache, jawollig! Ich vertrete dasch, äh, Geschetz, ichzeigschdirwartschbloschab, wir greifen hart durch, wenn, wenn, wenn…«
Er zwinkerte langsam, dann noch einmal.
»Wann greifen wir hart durch, Feldwe’el?« fragte er.
»Wenn keine Gefahr droht, Schör?« erwiderte Colon.
»Nein, nein, nein. Das ischesch nicht. Wie dem auch schei: Wir greifen hart durch, wenn, wenn, wenn… wir hart durchgreifen.« Verschwommene Bilder zogen durch sein Bewußtsein, zeigten ihm einen Raum voller Verbrecher, voller Leute, die ihn auslachten und verhöhnten, deren Existenz ihn seit vielen Jahren quälte. Er wußte nicht mehr genau, was damals geschehen war, aber tief in ihm rührte sich plötzlich ein wesentlich jüngerer Mumm – ein Mumm, der einen glänzenden Brustharnisch trug und große Hoffnungen hatte, ein Mumm, der entgegen aller Erwartungen nicht schon vor langer Zeit im Alkohol ertrunken war.
»Scholl, scholl, scholl ich dir wasch schagen, Feldwe’el?« lallte er.
»Schör?« Die vier Wächter prallten sanft an einer anderen Wand ab und begannen mit einer Art Krabbenwalzer, der sie quer durch die Gasse führte.
»Diese Schtadt. Diese Schtadt. Diese Schtadt, Feldwe’el. Diese Schtadt ischt eine, ischt eine, ischt eine Frau, Feldwe’el. Ja, ‘ne Frau. Feldwe’el. Eine uralte und üppig geschminkte Schönheit, Feldwe’el. Aberwennmanschichinschieverliebt, dann, dann, dann schlägt schie einemdiezähneein…«
»Eine Frau?« wiederholte Colon.
Er versuchte so sehr, einen klaren
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