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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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von Hand zu Hand und starrte ins Leere.
    Er brauchte jetzt etwas zu trinken. Andererseits: Vielleicht sollte er noch ein wenig damit warten.

    D er Bibliothekar wankte eilig durch die dunklen Gänge zwischen den schlummernden Bücherregalen.
    Die Dächer der Stadt gehörten ihm. Oh, Meuchelmörder und Diebe benutzten sie ab und zu, aber er hatte schon vor langer Zeit festgestellt, daß der Wald aus Schornsteinen, Strebepfeilern, Steinfiguren und Wetterfahnen eine gute und manchmal auch recht angenehme Alternative zu den Straßen darstellte.
    Zumindest bis jetzt.
    Er hatte es zunächst für amüsant und interessant gehalten, der Wache in die Schatten zu folgen, einen urbanen Dschungel, der für einen dreihundert Pfund schweren Affen keine Gefahren bereithielt. Doch als er sich hoch oben durch die dunklen Gassen schwang, sah er einen gestaltgewordenen Alptraum, der Menschen sicher dazu veranlaßt hätte, ihren Augen nicht mehr zu trauen.
    Als Affe hatte er überhaupt keinen Grund, an seinen Augen zu zweifeln. Er vertraute ihnen die ganze Zeit über.
    Derzeit wollte er ihren Blick auf ein Buch richten, von dem er sich Hinweise erhoffte. Es befand sich in einem Teil der Bibliothek, für den kaum mehr jemand Interesse aufbrachte. Die dortigen Bücher waren eigentlich gar nicht magisch. Auf dem Boden hatte sich eine anklagende Staubschicht gebildet.
    Und jetzt zeigten sich Fußspuren darin.
    »Ugh?« fragte der Bibliothekar in der warmen Düsternis.
    Er setzte den Weg vorsichtig fort und stellte sich schließlich der unausweichlichen Erkenntnis, daß die Spuren in die gleiche Richtung führten wie seine, nun, Schritte.
    Kurz darauf schob er sich um eine Ecke – und erstarrte.
    Der richtige Gang.
    Der richtige Bücherschrank.
    Das richtige Regal.
    Die Lücke.
    Es gibt viele schreckliche Anblicke im Multiversum. Doch für eine Seele, die an den subtilen Rhythmus einer Bibliothek gewöhnt ist, existiert kein schrecklicherer Anblick als ein Loch dort, wo sich eigentlich ein Buch befinden sollte.
    Jemand hatte das Buch gestohlen.

    D er Patrizier befand sich im Rechteckigen Büro, seinem persönlichen Sanktuarium. Mit langen Schritten wanderte er umher und diktierte Anweisungen.
    »Beauftrage auch einige Männer damit, die Wand neu zu streichen«, sagte er.
    Lupin Wonse wölbte eine Braue.
    »Hältst du das für klug, Herr?« fragte er.
    »Ein Fries aus gespenstischen Fomen fordert Kommentare und Spekulationen heraus«, erwiderte Lord Vetinari mürrisch.
    »Das gilt auch für frische Farbe in den Schatten«, stellte Wonse ruhig fest.
    Der Patrizier zögerte kurz. »Guter Hinweis«, meinte er knapp. »Laß die verdammte Mauer abreißen!«
    Am Ende des Zimmers drehte er sich ruckartig und marschierte erneut los.
Drachen!
dachte er.
Als wenn es nicht schon genug
wirklich
wichtige Dinge gäbe, die meine Aufmerksamkeit erfordern.
    »Glaubst du an Drachen?«
    Wonse schüttelte den Kopf. »Sie sind unmöglich, Herr.«
    »So heißt es jedenfalls«, murmelte Lord Vetinari. Eine Kehrtwendung an der anderen Wand.
    »Soll ich mit zusätzlichen Ermittlungen beginnen?« erkundigte sich Wonse.
    »Ja. Gute Idee.«
    »Und ich werde dafür sorgen, daß es die Wache nicht an der nötigen Diskretion fehlen läßt«, fügte Wonse hinzu.
    Der Patrizier blieb stehen. »Die Wache? Die Wache? Mein lieber Junge, die Wache besteht aus unfähigen Narren unter dem Befehl eines Trunkenbolds. Ich habe Jahre gebraucht, um dieses Ziel zu erreichen. Um die
Wache
brauchen wir uns gewiß keine Sorgen zu machen.«
    Er überlegte einige Sekunden lang. »Hast du jemals einen Drachen gesehen, Wonse? Einen
großen,
meine ich. Oh, sie sind natürlich unmöglich, wie du eben selbst gesagt hast.«
    »Sie existieren nur in Legenden, Herr«, antwortete der Sekretär. »Reiner Aberglaube.«
    »Hmm«, brummte der Patrizier. »Und Legenden sind natürlich, nun, legendär.«
    »Genau, Herr.«
    »Trotzdem…« Lord Vetinari zögerte erneut und musterte Wonse nachdenklich. »Na schön, kümmere dich darum. Ich möchte nicht, daß die Leute damit beginnen, über Drachen zu reden. Das schafft nur Unruhe. Schieb der Sache einen Riegel vor.«
    Als der Patrizier allein war, trat er ans Fenster und blickte bedrückt über die beiden vom Fluß getrennten Hälften der Stadt. Es nieselte wieder.
    Ankh-Morpork! Ein urbaner Ameisenhaufen aus hunderttausend Seelen. Und die Anzahl der mehr oder weniger menschlichen Bewohner war zehnmal so groß, wußte Lord Vetinari. Der frische Regen

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