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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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erleichtert, als eine kleine, alte und lädierte Kutsche vor dem Haus hielt. An der Tür sah Colon die verblichenen Farben eines Wappens, und hinten bemerkte er die neu wirkende Aufschrift:
Wer wiehert, mag Drachen.
    Hauptmann Mumm stieg aus und verzog dabei immer wieder das Gesicht. Ihm folgte eine Frau, die der Feldwebel als Verrückte Sybil Käsedick erkannte. Was den dritten Passagier betraf: Er hoppelte gehorsam am Ende einer Leine, war klein und…
    Nervosität hinderte Colon daran, auf die Größe zu achten.
    »Da soll mich doch der Deibel holen! Sie haben das Biest geschnappt!«
    Nobby saß an einem Ecktisch und hatte sich noch immer nicht zu einer wichtigen Erkenntnis durchgerungen. Sie lautete: Es ist praktisch unmöglich, bei einem Glücks- und Geschicklichkeitsspiel gegen jemanden zu gewinnen, der ständig lächelt. Er sah auf, und der Bibliothekar nutzte die gute Gelegenheit, um zwei Karten unter dem Stapel hervorzuziehen.
    »Sei doch nicht blöd«, brummte der Korporal. »Das ist bloß ein Sumpfdrachen. Und die Frau… Sybil Käsedick. Eine echte Lady.«
    Die beiden anderen Wächter drehten sich um und konnten kaum glauben, daß die letzten drei Worte von Nobby stammten.
    »Was starrt ihr mich so an?« fragte der Korporal. »Glaubt ihr etwa, ich sei nicht imstande, eine echte Lady zu erkennen? Sie hat mir Tee serviert, in einer Tasse so dünn wie Papier, und mit einem silbernen Löffel darin«, fuhr er in dem Tonfall eines Mannes fort, der einen Blick über die hohe Mauer der sozialen Unterschiede geworfen hat.
»Und
ich habe ihr beides zurückgegeben. Man weiß schließlich, was sich gehört.«
    »Wie verbringst du eigentlich deine freien Abende?« fragte Colon.
    »Geht dich nichts an.«
    »Und du hast ihr den Löffel wirklich zurückgegeben?« erkundigte sich Karotte.
    »Klar habe ich das«, sagte Nobby fest.
»Mit
der Tasse.«
    »Achtung, Jungs!« rief der Feldwebel voller Erleichterung.
    Mumm und Lady Käsedick betraten das Zimmer. Der Hauptmann musterte seine Männer auf die übliche Art und Weise: mit resigniertem Kummer.
    »Meine Truppe«, murmelte er.
    »Gute Männer«, behauptete Lady Käsedick. »Entschlossene Kämpfer für Recht und Ordnung, nicht wahr?«
    »Nun, kommt ganz darauf an, aus welcher Perspektive man es sieht«, grummelte Mumm.
    Lady Käsedick strahlte ermutigend, und eine seltsame Unruhe erfaßte die Männer. Feldwebel Colon gelang es mit nicht unerheblicher Mühe, die Brust weiter vorzuschieben als den Bauch. Karotte stand nicht mehr gebeugt, sondern richtete sich auf. Nobby nahm betont soldatenhafte Haltung an, hielt die Arme gerade an den Seiten und achtete darauf, daß die Daumen einen rechten Winkel zu den Händen bildeten. Seine flache Hühnerbrust war so angeschwollen, daß die Füße Gefahr liefen, den Bodenkontakt zu verlieren.
    »Ich habe immer gedacht, daß wir alle sicherer in meinem Bett schlafen können, wenn so tapfere Männer über uns wachen«, sagte Lady Käsedick und ging bedächtig an den Uniformierten vorbei – wie ein Schatzschiff, das in einer leichten Brise segelte. »Und wer ist das?«
    Einem Orang-Utan fällt es schwer strammzustehen. Der Körper schafft es im großen und ganzen, alle Glieder in die richtige Position zu bringen, doch die Haut ist dauernd im Weg. Der Bibliothekar versuchte es trotzdem und stand in einer Art respektvollem Haufen am Ende der Reihe; als er salutierte, beschrieben die mehr als hundertzwanzig Zentimeter langen Arme höchst komplexe Bewegungsmuster.
    »Er trägt immer Zivil und gehört zur Sonderabteilung Affen«, erklärte Nobby bereitwillig.
    »Interessant, ja, sehr interessant«, erwiderte Lady Käsedick. »Wie lange bist du schon ein Affe, guter Mann?«
    »Ugh.«
    »Gut gemacht.« Sie wandte sich an Mumm, der ungläubig starrte.
    »Du kannst stolz sein«, fügte sie hinzu. »Es sind ausgezeichnete Männer…«
    »Ugh.«
    »… beziehungsweise Anthropoiden«, verbesserte sich Lady Käsedick, ohne daß es in ihrem Redefluß zu einer Unterbrechung kam.
    Einige Sekunden lang fühlten sich die Wächter so, als seien sie gerade aus einer fernen Provinz zurückgekehrt, die sie ganz allein erobert hatten. Mit anderen Worten: Sie fühlten sich enorm ermuntert – so hätte es Lady Käsedick ausgedrückt –, was einen beträchtlichen Unterschied zu ihren normalen Empfindungen darstellte. Selbst der Bibliothekar spürte eine sonderbare Zufriedenheit und beschloß, wenigstens dieses eine Mal die Bemerkung ›guter Mann‹ zu

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