Wachen! Wachen!
zurückließen. Kreidezeichen auf dem Boden, meinte er. Außerdem stellten sie nie die Stühle zurück und machten sich auch nicht die Mühe, den Teekessel auszuspülen. Allem Anschein nach haben sie sich in der letzten Zeit recht häufig getroffen. Die Maler der nackten Frauen mußten sich ein anderes Atteljeh suchen.«
»Was hast du mit dem Verdächtigen angestellt?« erkundigte sich Mumm.
»Oh, er, äh, ist abgehauen, Hauptmann«, erwiderte der Feldwebel beschämt.
»Was? Er schien überhaupt nicht in der Verfassung zu sein, irgendwohin zu laufen.
»Nun, als wir hierher zurückkehrten, setzten wir ihn an den Kamin und gaben ihm einige Decken, weil er am ganzen Leib zitterte«, erklärte Colon, während Mumm seinen Brustharnisch festschnallte.
»Ich hoffe, ihr habt nicht seine Pizzas gegessen!«
»Errol hat sie verspeist. Es liegt am Käse. Er wird so klebrig, wenn…«
»Fahr fort!«
»Nun…« Colon suchte nach den richtigen Worten. »Der Bursche schauderte und faselte dauernd von Drachen. Um ganz ehrlich zu sein: Er tat uns leid. Und dann sprang er plötzlich auf und rannte einfach so nach draußen.«
Mumm musterte das große, offene und unehrliche Gesicht des Feldwebels.
»Einfach so?« wiederholte er.
»Nun,
wir hatten Hunger, und deshalb schickte ich Nobby zum Bäcker. Der Gefangene wollte nichts essen, aber wir hielten es für notwendig, daß er was in den Magen bekam, und…«
»Ja?« drängte Mumm.
»Nun,
als Nobby ihn fragte, ob er sein Wabbel geröstet möchte, stieß der Kerl einen entsetzten Schrei aus und ergriff die Flucht.«
»Das ist alles?« hakte Mumm nach. »Ihr habt ihn überhaupt nicht bedroht?«
»Nein, Hauptmann. Ein echtes Rätsel, wenn du mich fragst. Da fällt mir ein: Er erwähnte immer wieder einen gewissen Obersten Größten Meister.«
»Hmm.« Mumm blickte aus dem Fenster. Grauer Nebel umwickelte die Welt mit trübem Licht. »Wie spät ist es?«
»Fünf Uhr, Sir.«
»Na schön. Bevor es dunkel wird…«
Colon hüstelte. »Fünf Uhr
morgens,
Sir. Heute ist morgen.«
»Du hast mich einen
ganzen Tag lang
schlafen lassen?«
»Ich brachte es einfach nicht über mich, dich zu wecken, Sir. Von dem Drachen fehlt jede Spur, wenn es dir darum geht. Es kam zu keinem einzigen Zwischenfall. Alles ist totenstill.«
Mumm warf ihm einen kurzen Blick zu und öffnete das Fenster.
Der Nebel wogte herein und bildete eine Art gelbgrauen Wasserfall.
»Wir vermuten, er ist weggeflogen«, erklang Colons Stimme hinter dem Hauptmann.
Mumm beobachtete die langsam dahinziehenden dunklen Wolken.
»Ich hoffe, das Wetter bessert sich bis zur Krönung«, murmelte Colon besorgt. »Alles in Ordnung, Sir?«
Er ist nicht weggeflogen,
dachte Mumm.
Warum sollte er wegfliegen? Wir stellen keine Gefahr für ihn dar, und hier kann er alle seine Wünsche erfüllen. Er wartet, irgendwo dort oben.
»Alles in Ordnung, Sir?« wiederholte Colon.
Vermutlich befindet er sich irgendwo über dem Nebel. In einem solchen Dunst kann selbst er nichts sehen. Er müßte damit rechnen, gegen irgendwelche Türme oder hohen Gebäude zu prallen.
»Wann findet die Krönung statt, Feldwebel?« fragte er.
»Um zwölf Uhr, Sir. Herr Wonse hat eine Nachricht geschickt. Du sollst deine beste Rüstung tragen und bei den Würdenträgern der Stadt sitzen.«
»Soll ich das?«
»Feldwebel Hängematte und seine Männer von der Tageswache säumen den Weg, Sir.«
»Womit?« fragte Mumm und beobachtete den Himmel.
»Wie bitte, Sir?«
Mumm beugte sich vor und spähte mißtrauisch zum Dach hoch. »Hmm?«
»Ich sagte, Feldwebel Hängematte und die Tageswache säumen den Weg.«
»Er ist dort oben, Colon«, brummte Mumm. »Ich kann ihn praktisch riechen.«
»Ja, Sir«, erwiderte Colon gehorsam.
»Er denkt darüber nach, was er als nächstes unternehmen soll.«
»Ja, Sir?«
»Deshalb ist es mir völlig schnuppe, wer oder was irgendwelche Wege säumt. Ich möchte, daß ihr drei auf die Dächer klettert, verstanden?«
»Ja, Si… Was?«
»Auf die Dächer. Nach oben. Wenn der Drache kommt, will ich als erster Bescheid wissen.«
Colon versuchte, allein mit seinem Gesichtsausdruck anzudeuten, daß
er
keinen Wert darauf legte.
»Hältst du das für eine gute Idee, Sir?« wandte er vorsichtig ein.
Mumm blickte durch ihn hindurch. »Ja, Feldwebel«, entgegnete er kühl. »Es ist eine gute Idee – sie stammt von mir. Geh jetzt und halt dich an deine Anweisungen.«
Wenige Sekunden später war Mumm allein. Er wusch und rasierte
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