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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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fliegende Rebhühner erinnerten. Die erste traf das Tor und bohrte sich halb hinein. Die zweite prallte an den Schaft der ersten und spaltete ihn. Dann war Karotte heran.
    Mumm wich zur Seite, nahm auf einer nahen Sitzbank Platz und rollte sich eine Zigarette.
    Schließlich sagte er: »Ich glaube, das genügt, Obergefreiter. Bestimmt sind sie jetzt ganz friedlich.«
    »Ja, Sir«, erwiderte Karotte und klemmte sich zwei schlaffe Körper unter die Arme. »Wie lautet die Anklage, Sir?«
    »Angriff auf einen Offizier der Wache in Ausübung seiner Pflicht. Ah, und noch etwas: Sie haben sich der Verhaftung widersetzt.«
    »Fällt das unter Paragraph (vii) des Gesetzes für öffentliche Ordnung von 1457?« fragte Karotte.
    »Ja«, antwortete Mumm ernst. »Ja. Ja, ich denke schon.«
    »Aber eigentlich haben sie keinen großen Widerstand geleistet, Sir«, wandte Karotte ein.
    »Nun, dann war es eben der
Versuch,
sich der Verhaftung zu widersetzen. Ich schlage vor, du lehnst sie dort drüben an die Wand. Wir nehmen sie später mit. Sicher verspüren sie derzeit nicht den Wunsch zu flüchten.«
    »Wie du meinst, Sir.«
    »Und verletz sie nicht«, fügte Mumm hinzu. »Gefangene dürfen nicht verletzt werden.«
    »Das stimmt, Sir«, erwiderte Karotte pflichtbewußt. »Verhaftete Gefangene haben Rechte, Sir. Sie sind im Gesetz über die Würde des Menschen (Bürgerrechte) von 1341 festgelegt. Ich habe es Korporal Nobbs immer wieder gesagt. Gefangene haben Rechte, so lautete mein Hinweis. Das bedeutet, man darf nicht kräftig zutreten.«
    »Da bin ich ganz deiner Meinung, Obergefreiter.«
    Karotte sah auf die beiden reglosen Gestalten hinab und begann: »Ihr habt das Recht zu schweigen. Ihr habt das Recht, euch nicht selbst zu verletzen, indem ihr auf der Treppe zu den Zellen ausrutscht. Ihr habt das Recht, nicht aus hohen Fenstern zu springen. Ihr braucht nichts zu sagen, aber wenn ihr eine Aussage macht, so muß ich sie aufschreiben, und sie kann vor Gericht gegen euch verwendet werden.« Er holte sein Notizbuch hervor, beleckt kurz den Stift und beugte sich noch etwas tiefer.
    »Wie bitte?« fragte er. Nach einigen Sekunden blickte er zu Mumm auf.
    »Wie buchstabiert man ›stöhnen‹, Sir?«
    »S-C-H-T-Ö-H-N-E-N, glaube ich.«
    »Danke, Sir.«
    »Äh, Obergefreiter?«
    »Ja, Sir?«
    »Warum die Äxte?«
    »Sie
waren
bewaffnet, Sir. Die Äxte stammen vom Schmied in der Marktstraße. Ich habe versprochen, daß du sie nachher bezahlst.«
    Mumm verzog das Gesicht. »Und der Schrei?«
    »Das Kriegsjodeln von Zwergen, Sir«, sagte Karotte stolz.
    »Ein
guter
Schrei.« Mumm wählte seine Worte mit besonderer Vorsicht. »Aber ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mich beim nächsten Mal vorher warnen würdest, in Ordnung?«
    »Gewiß, Sir.«
    »Schriftlich.«

    D er Bibliothekar setzte den Weg fort. Er kam nur langsam voran, weil es hier Dinge gab, denen er nicht begegnen wollte. Geschöpfe entwickeln sich, um alle ökologischen Nischen der Umgebung zu füllen, und um einige Wesen in der staubigen Unermeßlichkeit des L-Raums machte man besser einen weiten Bogen. Sie waren noch weitaus ungewöhnlicher als die normalen ungewöhnlichen Lebensformen.
    Die meiste Zeit über genügte es, die Trittstuhlkrabben im Auge zu behalten. Solange sie friedlich durch den Staub krochen, war alles in bester Ordnung. Aber wenn sie sich fürchteten, mußte man vorsichtig sein. Mehrmals preßte sich der Bibliothekar flach an die Regale, weil ein Thesaurus vorbeidonnerte. Er wich einer Critter-Herde aus, die sich an dem Inhalt einiger besonders erlesener Bücher labte und einige dünne Bände zurückließ, die von Literaturkritikern stammten. Und dann gab es noch andere Dinge – Dinge, denen man nicht zu nahe kommen, die man nicht einmal ansehen sollte…
    Außerdem mußte man um jeden Preis Klischees meiden.
    Der Bibliothekar verspeiste seine letzten Erdnüsse und hockte dabei auf einer Leiter, die gedankenlos in den Büchern der obersten Regale schmökerte.
    Dieser Bereich der Bibliothek wirkte vertraut. Zumindest gewann der Orang-Utan den Eindruck, daß er bald vertraut wirken würde. Im L-Raum hatte die Zeit eine ganz andere Bedeutung.
    Er beobachtete Regale, deren Konturen er kannte. Die Buchtitel blieben unleserlich, aber langsam, ganz langsam formten sich deutlichere Umrisse. Hinzu kam ein muffiger Geruch, den der wiederzuerkennen glaubte.
    Der Bibliothekar trottete durch einen Seitengang, wankte um die Ecke und zögerte nur kurz, bevor er jene

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