Wachen! Wachen!
Pfanne gekratzt«, murmelte er.
»Ich verstehe.« Mumm holte tief Luft und fragte mit gefährlicher Freundlichkeit: »Wie lange kennen wir uns jetzt schon, Hargi?«
»Viele Jahre, Hauptmann«, antwortete der Mann. »Du kommst fast täglich hierher. Bist ein Stammgast. Einer meiner besten Kunden.«
Mumm lehnte sich über den Tresen, bis sich seine Nase in einer Höhe mit dem rosaroten Stummel in Hargas Gesicht befand.
»Hast du in all dieser Zeit
jemals
das Öl gewechselt?« fragte er.
Harga versuchte zurückzuweichen. »Nun…«
»Es ist wie ein guter Freund für mich gewesen, das alte Öl«, sagte Mumm. »Es enthält kleine schwarze Stücke, an denen ich sehr hänge. Es hat einen hohen Nährwert. Und du hast die Kaffeebecher ausgespült, stimmt’s? Das fiel mir sofort auf. Dieser Kaffee schmeckt nach, äh, Kaffee. Das andere Zeug hatte
Aroma.«
»Nun, ich dachte, es wird Zeit…«
»Warum?«
Die Pfanne rutschte aus Hargas Wurstfingern. »Nun, ich dachte, wenn mir der König zufälligerweise einen Besuch abstattet…«
»Du bist ja
verrückt!«
»Aber Hauptmann…«
Mumms Finger bohrten sich anklagend in die zweite Nahtstelle von Hargas dicker Weste.
»Du kennst doch nicht einmal den Namen des Blödmanns!« rief er.
Harga faßte sich wieder. »Doch, Hauptmann«, brachte er hervor. »Ich weiß, wie er heißt. Der Name stand auf den Plakaten und so. Er lautet Rex Vivat.«
Mumm ließ ihn langsam los, schüttelte erschüttert den Kopf und beklagte stumm die menschliche Neigung zur Unterwürfigkeit.
I n einer anderen Zeit und an einem anderen Ort beendete der Bibliothekar seine Lektüre. Er hatte das Ende des Textes erreicht, jedoch nicht das Ende des Buches. Oh, es gab noch einen großen Rest Buch, aber leider war er bis zur Unleserlichkeit und darüber hinaus verbrannt.
Es fiel auch schwer, die Worte auf den letzten nicht verbrannten Seiten zu entziffern. Die Hand des Autors hatte gezittert, als er besonders schnell schrieb, und daher bestanden manche Silben nur aus krakeligen Linien. Aber der Bibliothekar hatte viele schreckliche Texte in den schlimmsten jemals gebundenen Büchern gelesen, Worte, die ihrerseits versuchten, den Leser zu lesen, die sich auf dem Papier hin und her wanden. In diesem Fall handelte es sich nur um die Worte eines Mannes, der um sein Leben bangte. Eines Mannes, der seiner Nachwelt eine unheilvolle Warnung hinterließ.
Die Aufmerksamkeit des Bibliothekars galt in erster Linie einer jener Seiten vor dem verbrannten Teil. Er hockte sich nieder und blickte eine Zeitlang darauf hinab.
Dann starrte er in die Dunkelheit.
Es war
seine
Dunkelheit. Irgendwo in der Finsternis schlief er. Irgendwo in der Finsternis schlich ein Dieb zu diesem Ort, um das Buch zu stehlen. Anschließend würde jemand darin lesen, auch diese Worte – und die Warnung mißachten.
Die Hände des Bibliothekars juckten.
Es genügte, dieses Buch zu verstecken oder es dem Dieb auf den Kopf fallen zu lassen, ihm anschließend die Ohren abzuschrauben.
Erneut sah er in die Dunkelheit.
Aber das bedeutete Einmischung in den Lauf der Geschichte. So etwas konnte grauenhafte Konsequenzen nach sich ziehen. Der Bibliothekar kannte sich bestens damit aus; man mußte über solche Dinge Bescheid wissen, bevor man sich in den L-Raum wagen durfte. Er hatte Bilder in alten Büchern gesehen. Es bestand die Gefahr, daß sich die Zeit gabelte, wie eine Hose. Wenn man nicht aufpaßte, endete man im falschen Bein und führte ein Leben, das eigentlich im
anderen
Bein stattfand. In einem solchen Fall redete man mit Leuten, die sich gar nicht im gleichen Bein aufhielten, oder man stieß gegen Wände, die überhaupt nicht existierten. Oh, im falschen Hosenbein der Zeit konnte das Leben entsetzlich sein.
Außerdem widersprach es den Bibliotheksregeln. 21 Die übrigen Bibliothekare in Zeit und Raum hätten sicher protestiert, wenn er mit der Kausalität herumzupfuschen begann.
Er schloß das Buch behutsam und stellte es ins Regal zurück. Dann schwang er sich erneut von einem Schrank zum anderen, bis er die Tür erreichte. Dort verharrte er eine Zeitlang, blickte auf sein schlafendes Ebenbild hinab und überlegte, ob er sich wecken, ein interessantes Selbstgespräch führen und sich mitteilen sollte, daß er Freunde hatte, daß es keinen Grund gab, besorgt zu sein. Er entschied sich dagegen. Auf diese Weise konnte man in erhebliche Schwierigkeiten geraten.
Statt dessen schlüpfte er durch die Tür, lauerte im Schatten und
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