Wachgeküßt
Augen zusammen und spitzt die Lippen.
Meine Schwester und Larry. Die Titanic hat ihren Eisberg gefunden und steuert genau darauf zu – Volldampf voraus! Das ist heftig! Hoffen wir mal, daß das bloß ein Nebeneffekt ihrer absoluten Besoffenheit ist.
»Findest du nicht, daß er wie Michael Douglas aussieht?« wiederholt sie. »Ich mag Michael Douglas wirklich gern.«
»Was?« Ich habe nie bemerkt, daß sie so einen zweifelhaften Geschmack hat. Mason war eigentlich schon ein Anzeichen dafür, aber jetzt... Ungläubig schüttele ich den Kopf.
»Okay, Rics, vielleicht tust du das. Schließlich sind Geschmäcker bekanntermaßen verschieden. Und schließlich hat Lady Di auch Prinz Charles geheiratet, hm? Aber Larry...« Ich schüttele wieder den Kopf und stoße einen tiefen Seufzer aus. »Denk doch mal an Michael Douglas in der Rolle von Gordon Gekko. Der Eidechsenmann, dieser widerwärtige, böswillige Wichser in Wall Street.«
Sie nickt.
»Dann stell ihn dir zehnmal so schleimig und zwanzigmal so brutal vor, und du hast Larry.«
»Wirklich?« Dummerweise scheint diese Information sie eher zu beeindrucken als abzuschrecken.
»Er ist ein schlechter Mensch, Erica.« Ich packe sie an den Schultern und zwinge sie, mir in die Augen zu sehen. »Glaub mir, du willst es gar nicht wissen, okay? Aber das Wort >Schleimscheißer< wurde nur für Larry erfunden, verstehst du?«
Sie nickt langsam. Ihre Augen sind immer noch glasig, aber ich glaube, allmählich dringe ich zu ihrem Gehirn durch.
»Hey, Riccy Baby, komm und tanz mit mir.« Eddie Maynard, den ich fast schon mag, weil er einer der nicht ganz so vertrottelten Typen aus Larrys Büro ist, springt auf und zieht meine Schwester mit hoch. »Du nimmst es mir doch nicht übel, daß ich deine bezaubernde Schwester entführe, Lexy?«
»Aber woher denn? Paß aber auf sie auf, okay?«
»Avec plaisir.« Er wirft mir eine Kußhand zu und zerrt Erica in Richtung Tanzfläche. Schwer zu sagen, ob sie wirklich tanzt oder nur betrunken gegen ihn schwankt, aber ich glaube nicht, daß Eddie das stört.
Alex kommt mit dem Alkoholnachschub wieder. In jeder Hand hält er eine Flasche Becks, und im Mund klemmt ein Päckchen gerösteter Erdnüsse.
»Wirr du drr hnserrsen?«
Ich nehme ihm die Erdnüsse ab.
»Willst du dich hinsetzen?« wiederholt er und deutet mit einem Kopfnicken auf einen freien Sessel.
Wir quetschen uns beide in den Sessel. Das Design und die Dynamik der Erdanziehung schaffen eine intime Nähe, bei der unsere Oberschenkel eng zusammengepreßt werden und die Beckenknochen so hart aneinanderreiben, daß wir ein Streichholz dazwischenstecken und ein Feuer entzünden könnten.
»Du zuerst.« Ich stemme mich hoch, so daß Alex halb unter mir zum Sitzen kommt. Mein rechtes Bein baumelt über seinem linken, so daß ich mehr oder weniger auf seinem Schoß sitze und an seine Brust gedrückt werde. Ich spüre, wie sein Herz sanft gegen die Wölbung meiner rechten Brust schlägt.
Unsere Köpfe lehnen aneinander. Er dreht sich mir zu, um mich anzusehen, und ist mir so nah, daß seine Nasenspitze meine fast berührt.
In der Erwartung, daß er mich küssen wird, schließe ich halb die Augen. Aber er tut es nicht.
»Ich sollte dich besser nach Hause bringen«, sagt er nach einem Moment des Schweigens.
»So?«
»Du siehst völlig fertig aus.«
Wie zum Beweis entwischt mir ein heftiges Gähnen, das sich nicht unterdrücken läßt und mir fast den Kiefer ausrenkt.
»Siehst du, ich hatte recht. Willst du gehen?« beharrt er.
»Was ist mit meiner Schwester? Ich kann sie nicht einfach hierlassen.«
»Sie ist erwachsen, oder? Außerdem läßt du sie ja auch nicht allein zurück.«
»Ich weiß, aber sie ist völlig blau...«
»Wenn du dir Sorgen machst, warum fragst du dann nicht einen von den anderen, damit er ein Auge auf sie hat?«
»Ich weiß nicht...«
»Ihr geht’s gut. Sie sitzt da drüben mit deiner Freundin Samantha.«
Er deutet auf das Sofa, auf dem sich vorhin die Mini-Orgie abgespielt hat. Serena hockt auf Tonys Schoß, dessen Hände fröhlich unter dem Saum ihres Kleides herumstöbern. Sie unterhält sich angeregt mit Erica, die rasch die Tanzfläche verlassen hat und jetzt Gott sei Dank wieder etwas wacher aussieht, trotz der Tatsache, daß Eddie gegenwärtig seinen Kopf selig in ihren tiefen Ausschnitt geschmiegt hat und fest schläft.
»Rics«, rufe ich ihr zu, »ich fahre jetzt nach Hause. Willst du mit?«
Sie dreht sich um, lächelt und schüttelt
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