Wachgeküßt
die ein Typ bei dem krampfhaften Versuch veranstaltet hat, sie aus ihren glänzenden Dessous zu schälen.
Serena amüsiert sich offensichtlich mal wieder mit einer weiteren Eroberung in ihrem kleinen Unterschlupf in St. Giles. Meine Schwester ist nirgends zu sehen.
»Wo ist Erica?«
»Weiß nicht.« Ems zuckt die Achseln, geht zum Kühlschrank und holt sich eine Flasche Evian heraus. »Ich dachte, sie wäre bei dir.«
»Ist sie nicht«, schnauze ich, vor Sorge ganz aufgeregt.
»Frag Jude.« Bei dem Versuch, den Plastikverschluß zu öffnen, bricht er Ems ab. »Ich glaube, sie war zuletzt mit ihr zusammen.«
Jude kommt aus dem Bad gestapft. Sie kichert immer noch wie eine Verrückte, schnappt sich meinen halbgegessenen Kaffeekuchen und fängt an, die Überreste in ihren Mund zu schaufeln, als hätte sie seit einer Woche nichts mehr gegessen.
»Hast du Rics gesehen, Jude?«
»Hast du das etwa nicht mitgekriegt?« fragt sie und beißt in eine Walnuß. »Sie ist mit dem Typ nach Hause gegangen, mit dem du arbeitest.«
»Was?«
»Der Typ, mit dem du arbeitest... du weißt schon.« Sie verdreht die Augen in der Anstrengung, ihrem vom Dope vernebelten Hirn mehr Details zu entlocken.
»Damien?« frage ich ungläubig.
»Damien?« Sie runzelt die Stirn, zuckt die Achseln. »Ist das der, der etwa vierzig ist, graue Haare ha...«
Lieber Gott, bitte nicht!
»... im grauen Armani-Anzug und mit einem Gesicht wie ein dünner Michael Douglas?«
Schlaflosigkeit. Ich liege wach. Alles, woran ich denken kann, ist meine arme Schwester in den Klauen von Larry, dem Lüstling.
Die ganze Nacht wandere ich durch den Flur wie ein werdender Vater und bringe dann die ansonsten so gelassene Serena zum Ausrasten, weil ich von sieben Uhr früh an alle halbe Stunde anrufe, um zu erfahren, ob Erica schon nach Hause gekommen ist.
Irgendwann kann Serena nicht mehr.
»Hör mal, Lex, ich schätze dich sehr«, nuschelt sie, »aber ich habe den Kater des Jahrhunderts, und ich konnte nur etwa zwei Stunden ungestört schlafen. Ich sage Erica, sie soll dich anrufen, sobald sie da ist, okay? Und falls du heute morgen noch einmal hier anrufst, dann komme ich rüber zu eurem Haus, wickele dir die Telefonschnur um den Hals und erwürge dich dann ganz langsam damit! Verstanden?«
Schließlich kommt der Anruf.
»Also, du hast die Nacht bei Larry verbracht?« Ich versuche, ganz beiläufig zu klingen.
»Klar.«
»Was hast du gemacht? Dich zurückgelehnt und an England gedacht?«
»Nein, ich habe mich zurückgelehnt und an Alex gedacht, was mich ziemlich aus dem Konzept gebracht hat. Es kam mir vor, als würdest du auf meiner Schulter hocken wie mein lautstarkes Gewissen, das leiert, >Tu’s nicht, Erica, tu’s nicht!<«
»Siehst du, wie gut, daß ich da bin«, antworte ich und weiß selbst nicht, warum ich so erleichtert bin.
»Du bist ungefähr so gut für mein Liebesleben wie eine Portion Gift, Schwesterherz! Aber freu dich nicht zu früh. Ich habe zwar letzte Nacht gekniffen und in seinem Gästezimmer übernachtet, aber heute abend gehe ich mit ihm essen. Und wer weiß? Vielleicht verbringe ich ja einen Abend, der frei ist von dieser Flüsterstimme, die mir vorschreibt, was ich zu tun und zu lassen habe.«
»Du gehst heute wieder mit ihm aus?« frage ich besorgt. »Ich dachte, du bist gekommen, um deine Familie zu sehen?«
»Hey«, stichelt sie, »Larry könnte schon bald zur Familie gehören, wenn er mich nett darum bittet. Findest du, daß ich bis zur Hochzeitsnacht keusch bleiben sollte?«
»Hochzeitsnacht?« kreische ich. »Hochzeit... Verdammt, wenn du es unbedingt willst, dann bums ihn jetzt, und bring’s hinter dich!«
Erica lacht. »Ich hatte gehofft, daß du das sagst. Wir sehen uns dann zum Mittagessen.«
Komm zurück, Mason, alle deine Sünden wurden dir vergeben.
Ich treffe mich mit Erica in einer beliebten Pizzeria in Knightsbridge.
Jem, der geschäftlich zwei Wochen verreist war, soll sich eigentlich zu uns gesellen, aber wie üblich hat er Verspätung. Er kommt genau in dem Augenblick herein, als ich versuche, Erica davon abzubringen, ihre Bekanntschaft mit Larry, dem Lüstling, weiter zu vertiefen.
»O Mann! Du bist erst seit zwei Minuten wieder im Land, und schon streitet ihr euch!« Die Stimme meines Bruders unterbricht unsere ziemlich hitzige Diskussion.
»Jeremy!«
Die schwesterliche Feindschaft ist fürs erste vergessen, als Erica aufsteht, um unseren Bruder zu begrüßen, den sie seit fast einem
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