Wachgeküßt
unterbricht Erica mich. »Wenn du wild rumbumsen darfst, warum darf ich dann nicht?«
»Das hab ich nicht gesagt!« protestiert er.
»Ich hab nichts gegen das Rumbumsen, Rics.« Ich wende mich wieder meiner Schwester zu. »Tatsache ist, daß ich darüber sogar ganz glücklich bin. Frag Jem, er findet, daß ein bißchen Rumbumsen jedem guttut. Stimmt doch, oder, Jem? Aber wogegen ich wirklich etwas habe, ist Larry. Er ist ein totaler Schleimscheißer.«
»Also, der Larry, den ich kenne, ist garantiert keiner. Er hat sich wie ein richtiger Gentleman benommen.«
»Wolltest du nicht eher sagen, alles andere als ein richtiger Gentleman? Außerdem kennst du Larry gar nicht, du hast ihn erst letzte Nacht getroffen...«
»Uhh, hört auf!« Abwehrend hebt Jem die Hände. »Lexy, Erica
ist alt genug, sich eine eigene Meinung über diesen Typ zu bilden, okay? Wenn er wirklich so ein Blödmann ist, dann wird sie schon so schlau sein, das selber zu erkennen, oder?«
»Ich nehm’s an.« Ich zucke widerwillig die Achseln.
»Aber um dich mache ich mir Sorgen«, fährt er fort.
»Was?«
»Von wegen: Ein bißchen Rumbumsen tut jedem gut.«
»Das hast du zu mir gesagt.«
»Hast du nicht!« sagt Erica ungläubig und mit vor Empörung weit aufgerissenen Augen. »Jem! Wie konntest du nur?«
»Das habe ich überhaupt nicht gesagt.« Wieder hält er abwehrend die Hände hoch. »Ich habe gesagt, Lex soll ein bißchen lockerer werden. Nicht, daß sie ihre Hemmungen loswerden soll wie eine Stripperin im Zeitraffer ihre Klamotten, oder daß sie alles bumsen soll, was auch nur atmet.«
»Anscheinend hast du sie auf eine falsche Spur gelockt«, sagt Erica entrüstet.
»Ich verstehe nicht, wieso du plötzlich einen auf Jungfrau Maria machst«, sage ich. »Du hast selbst gesagt, daß du nur nach England gekommen bist, um dich flachlegen zu lassen.«
»Hast du nicht!« schnappt Jem glubschäugig.
Eine alte Jungfer am Nachbartisch hört auf, an ihrem Salatblatt zu kauen und dreht ihr Hörgerät lauter.
»Na ja, ich war so lange Zeit allein...« Erica verstummt und knetet unbehaglich ihre rosafarbene Leinenserviette.
»Tja, ich bin zum ersten Mal seit Ewigkeiten allein.« Ich drehe mich zu Jem. »Ich sollte deinen Ratschlag befolgen und mich amüsieren, ausgehen, mich flachlegen lassen, Herzen brechen, ohne mir darum Gedanken zu machen, oder?«
»Ist das eine Frage oder eine Feststellung?«
»Das hast du mir gesagt«, erwidere ich wie ein gereiztes Kind.
»Normalerweise hörst du nie auf das, was ich sage, Alex. Warum machst du es diesmal?«
»Das ist alles Max’ Schuld!« blafft Erica, die plötzlich eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit unserer Mutter hat und auch so klingt. »Es mag ja ganz okay sein, sich viele Lover zuzulegen, aber das kann auch ein ganz schön gefährliches Spiel werden, Alex. Jem hat wahrscheinlich sagen wollen, daß du ausgehen und ein bißchen Spaß haben, aber keine Mission erfüllen sollst.«
»Wenn ich eine Mission habe, wie du es nennst, dann ist es eine verdammte Mission Impossible! Ich bin nicht fürs Rumbumsen geschaffen, Erica.«
»Du hörst dich an, als wäre das etwas Schlimmes.«
»Das ist es auch, wenn man an einem Wettbewerb teilnimmt, um zu sehen, wer die meisten One-Night-Stands hat«, erwidere ich, ohne nachzudenken.
Der Ober, der unseren Tisch angepeilt hatte, um die Bestellung entgegenzunehmen, zieht sich wieder zurück und murmelt dabei auf italienisch etwas Abschätziges über die lockeren Sitten der englischen Frauen.
»Darauf bist du aus?« stößt Jem hervor, und seine großen, braunen Augen treten fast aus den Höhlen.
»Du hast schließlich den Anstoß gegeben mit deiner blöden Hitliste«, gebe ich scharf zurück und ziehe einen Schmollmund.
»O nein!« ruft er in gespielter Entrüstung. »Ich glaube gar, ich habe ein Monster geschaffen!«
»Alex! Wie kann man nur so unverantwortlich sein?« fragt Erica entsetzt.
»Ich bin nicht unverantwortlich«, sage ich selbstsicher. »Wir haben schließlich Regeln: Safer Sex oder gar kein Sex. Obwohl in meinem Fall eher gilt: Safer Sex, weil gar kein Sex.«
»Zum Safer Sex gehört doch nicht nur ein Kondom.« Erica sieht bestürzt aus. »Dazu benutzt man auch den Kopf, damit Gefühle und Gesundheit unter Kontrolle bleiben.«
»Kein Grund, gleich so auszurasten. Abgesehen von der Sache mit Jake bin ich eine totale Niete.«
»Du bist keine Niete, Lex. Das ist alles meine Schuld. Ich hätte erkennen müssen, daß du das alles zu
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