Wachgeküßt
beiden gegenseitig das Leben schwermachen. Gibt dir das nicht Auftrieb?«
Seltsamerweise ja. Vor meinem inneren Auge sehe ich Max nach der Heirat. Babys spucken Zwieback auf sein schickes Hemd, im Hintergrund nörgelt seine Frau. Das wird er geradezu leidenschaftlich hassen. Max ist zu egoistisch, um verheiratet zu sein. Ich komme mir ein bißchen verdorben vor, weil die Vorahnung seiner Pein mich mit Schadenfreude erfüllt, aber wirklich nur ein bißchen verdorben, ein klitzekleines, unbedeutendes bißchen von einem bißchen.
Jem übernimmt den Posten des Chefkochs und streut frisch gemahlenen Pfeffer auf das Steak, das meine Wut überstanden hat. Dann schiebt er es auf die oberste Schiene des Backofens. Außerdem kratzt er die Reste des anderen Steaks vom Boden und von der Küchenwand und wirft auch sie auf den Grill.
»Der Boden ist sauber!« Er verdreht die Augen, weil ich ihn entrüstet ansehe. Zweifelnd runzele ich die Stirn.
»Ich esse das Stück, okay?« bietet er an. »Himmel, Lex, trink noch ’n bißchen Wein, und reg dich ab. Du hättest selbst keinen besseren Racheplan ersinnen können. Kannst du dir Max als verheirateten Mann vorstellen?«
»Es gab eine Zeit, da konnte ich das durchaus. Verheiratet mit mir, um genau zu sein.«
»Na, dann bist du ja nur knapp entwischt, stimmt’s? Jetzt heiratet er nämlich eine andere arme Irre.«
Geschickt schneidet er eine Tomate in Scheiben, bemerkt, daß er dasselbe Brett benutzt hat, auf dem ich vorher das Steak massakriert habe, und wirft sie in den schwenkbaren Mülleimer.
»Denk doch nur mal an all die Seiten von Max, die dich echt angenervt haben...«
»Wie die Tatsache, daß er durch fremde Betten gehüpft ist!« knurre ich.
»Genau, daß er durch fremde Betten gehüpft ist, daß er dich als selbstverständlich hingenommen hat, daß er dich unterdrückt hat...«
»... daß er einfach weitergezappt hat, wenn ich gerade etwas im Fernsehen angeschaut habe, und das, ohne zu fragen. Daß er sich über die Unordnung im Haus beschwert, aber nie selbst einen Finger gerührt hat. Daß er überall seine Klamotten liegengelassen und auch noch erwartet hat, daß sie sich auf wundersame Weise selbst waschen und bügeln, und in den Kleiderschrank zurückwandern.« Ich erwärme mich für das Thema.
»Ich sehe, du hast verstanden.« Jem grinst, während er einen Kopfsalat wäscht und zerpflückt. »Du mußt dir einfach klarmachen, daß du nichts mehr von alledem tun mußt. Irgendeine andere Idiotin hat sich selbst zu lebenslänglich verurteilt.«
Er wirft den Salat in eine Schüssel, schenkt mir und auch sich nach und fängt an, eine Gurke zu malträtieren.
»Wie wär’s mit ein bißchen Knoblauchbrot?«
»Na klar... ist jetzt sowieso egal, ob ich morgens nach Knoblauch stinke, oder?«
»Ist das der einzige Vorteil des Single-Daseins, der dir einfällt?« Mein Bruder sieht mich mitleidig an. »Weißt du, manchmal frage ich mich ernsthaft, ob wir miteinander verwandt sind. Das Single-Dasein hat noch so viele andere Vorzüge. Sex zum Beispiel.« Ungerührt verteilt er eine halbe Flasche kalorienarmes Dressing über dem Salat, dann steckt er zwei Holzlöffel rein. »Jetzt hast du die Chance, was Neues auszuprobieren. Zu testen, wie es mit jemand anderem als Max läuft. Vielleicht probierst du einfach ein paar durch, der Größe wegen?«
Auf meinem Gesicht erscheint ein schockierter Ausdruck.
»Ein paar sexuelle Experimente können nicht schaden«, lautet seine Antwort.
»Nein, ich fange mir höchstens ein paar unheilbare Krankheiten ein, kriege einen schlechten Ruf und mag mich selbst nicht mehr.«
»Ich hab nicht gesagt, daß du dich in eine völlige Schlampe verwandeln sollst, stimmt’s? Bleib einfach locker und hab ein bißchen Spaß. Den größten Teil deiner Jugend hast du in einer Beziehung gesteckt, jetzt vergeude nicht den Rest davon. In drei Jahren wirst du dreißig, und dann ist’s vorbei.«
Er grinst breit. Jems dreißigster Geburtstag ist in wenigen Wochen, deshalb glaube ich, daß er scherzt. Ich hoffe sehr, daß dem so ist!
»Aber ist das nicht der Abschnitt im Leben, in dem ich mich etablieren, Kinder haben und einen Kredit aufnehmen sollte? Und nicht rumrennen und so viele Männer wie möglich bumsen?«
»Glaubst du, daß eine Geburt so schmerzhaft ist wie die monatliche Kreditrate?« sinniert Jem, schiebt sich ein tropfendes Salatblatt in den Mund und kaut gedankenverloren.
»Ich meine es ernst, Jeremy!«
»Oooh. Sie hat mich
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