Wachgeküßt
Jeremy genannt. Jetzt weiß ich, daß es Ärger gibt.«
Verzweifelt schüttele ich den Kopf.
»Warum ist es nur manchmal so schwer, ein vernünftiges Gespräch mit dir zu führen? Du bist doch mein Bruder, von dir wird erwartet, daß du einen guten Einfluß auf mich hast. Aber nicht, daß du deiner kleinen Schwester rätst, bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Schlüpfer runterzulassen.«
»Ich versuche ja, einen guten Einfluß auf dich auszuüben, Alex. Dich so mit Max zu sehen, war, als ob man seine Lieblingspflanze bei dem verzweifelten Versuch beobachtet, im Schatten eines verdammt großen Dornbusches zu gedeihen.«
»Willst du etwa sagen, ich bin zurückgeblieben?« frage ich eingeschnappt.
»Nur im emotionalen Bereich.«
»Wird es dadurch besser?«
»Ich sage nur, daß du viel zu lange Max’ Windeln gewaschen hast. Du hast dein Mutterpensum schon erfüllt... an einem neunundzwanzigjährigen Riesenbaby! Emanzipier dich! Fang an zu leben, um Himmels willen! Überlaß die Leier von Hochzeit /Kredit/Verantwortung für eine Weile anderen, und genieß das Leben, solange du kannst. Also, ich hoffe, du bist hungrig. Das Abendessen ist fertig, und ich habe anscheinend genug für die Speisung der Fünftausend gekocht.«
Während des Essens unterhält mich Jem, indem er düstere Horrorszenarien für das Eheleben von Max und Madeleine entwirft. Leider hält der positive Effekt dieser Vorstellung nur fünf Minuten an, nachdem ich seine Wohnung verlassen habe. Bis ich zu Ems Haus komme, wird die Hochzeit zum gesellschaftlichen Großereignis des Jahres, sie leben in trauter Glückseligkeit, haben genau 2,5 prächtige Kinder und einen Hund, der nie scheißt, sich nie haart oder seinen Pimmel leckt, ihr Ehehimmel hängt
voller Geigen, die Flitterwochen dauern ein Leben lang, alle sehen in ihnen das perfekte Paar, sie nehmen bei dem Partnerspiel Mr. & Mrs. im Fernsehen teil und bekommen die maximale Punktzahl und schlagen damit noch Richard und Judy...
Das übliche Gezeter bringt meine Freundin auf den Plan.
»Emmmmmmaaaaaa!«
»Was denn... was?« stammelt sie, als sie in einem roten Frotteebademantel aus ihrem Schlafzimmer gestolpert kommt, noch im Halbschlaf, mit geröteten, zugekniffenen Augen.
»Max heiratet.« Kläglich blinzele ich sie durch einen Tränenschleier hindurch an.
»O«, antwortet sie.
»Du scheinst nicht gerade überrascht.«
»Billiger als eine Haushälterin, und den Sex kriegt er auch noch umsonst.« Sie reibt sich den Schlaf aus den Augen.
»Emma!«
Müde schüttelt sie den Kopf. »Tut mir leid, Alex, aber nichts von dem, was Max macht, kann mich noch überraschen. Der Kerl ist doch ein völliger Blödmann.«
»Warum macht er das? Verdammt, Ems, wir haben uns erst vor ungefähr einem Monat getrennt.«
»Vielleicht liebt er sie ja?« hat sie anzubieten. »Wen eigentlich?«
»Madeleine«, murre ich unwillig. »Das wollte ich eigentlich nicht hören, Emma.«
»Ich bin deine Freundin, und Freunde lügen einander nicht an.« Sie streckt die Hand aus und klopft mir mitfühlend auf die Schulter. »Willst du einen Tee trinken?«
»Nein.«
»Wie wärs mit etwas Härterem? Ich glaube, im Kühlschrank ist irgendeine Flasche. Nur ein billiger Fusel, den Theo letzte Woche mitgebracht hat. Er hat sich nicht die Mühe gemacht, wiederzukommen und ihn mit mir zu trinken. Wenigstens ist er gekühlt. Also entweder das oder Brennspiritus.«
»Brennspiritus – hört sich gut an. Krieg ich den auch brav in braunes Papier gehüllt?«
Emma verdreht die Augen und verschwindet in der Küche, um zwei Gläser zu holen.
»Unsere Trennung ist knapp über einen Monat her«, wiederhole ich, als sie zurückkommt. Ich höre mich an wie Marvin, der paranoide Androide, der griesgrämige Fernsehcomputer, so monoton, mürrisch und voller Selbstmitleid.
»Knapp zwei«, berichtigt Emma. »Und es tut mir leid, daß ich dich daran erinnern muß, aber er hat sie schon eine ganze Weile vorher gekannt, stimmt’s? Außerdem weißt du doch, was Max für einer ist. Er kann nicht mal fünf Minuten allein sein. Er ist geradewegs von seinen Eltern weg in dieses Haus gezogen, und drei Wochen später hat er dich gebeten, zu ihm zu ziehen.«
»Wie du schon sagtest: Das ist billiger, als eine Putzfrau einzustellen.« Ich lache bitter. »Ach, Emma, ich weiß doch, daß er sich wie ein Schwein benommen hat, aber ich kann mir nicht helfen – ich vermisse ihn! Wir hatten auch gute Zeiten.«
»Der Max, den du vermißt, ist nicht
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