Wachgeküßt
männliche Denkweise. Denk dran – Regeln bleiben Regeln. Ich armes Mädel habe noch keinen einzigen Punkt gemacht.«
»Warum spielen wir bei diesem blöden Spiel überhaupt mit?«
Gut packt schließlich Böse an der Kehle und haut ihm links und rechts ein paar runter, um zu versuchen, mich aus meiner trunkenen Abgestumpftheit herauszureißen. Es klappt. Vor Grauen schreie ich innerlich auf, als mir endlich klar wird, was ich gerade mache.
Ich beschließe, daß ich damit aufhören muß, aber es gibt keine Ausweichmöglichkeit. Ich bin eingekeilt zwischen dem Sofaende und Damiens Körper. Ich könnte mich zu Boden gleiten lassen, aber ich glaube, daß er dann auch fallen würde, und dann würden wir uns in einer überaus peinlichen Lage wiederfinden.
Als das gute Gewissen das schlechte Gewissen im väterlichen Ton niedergerungen und zu einer Bauchlandung gezwungen hat und es jetzt ultimativ auffordert, sich ja zu unterwerfen, unterbricht Damien den Kampf von sich aus, indem er aufsteht. Sein Mund und seine Augenbrauen lächeln mich an, und er haucht mir ins Ohr, »warte auf mich, ich bin gleich wieder da«.
Ich warte, aber nur, weil ich Mühe habe, wieder zu Atem zu kommen und die Kontrolle über meine Beine zu erlangen. Was
soll ich jetzt machen? Bei den beiden letzten Malen habe ich gekniffen, und jetzt, wo der schwarze Kaffee den Zugriff des Alkohols allmählich löst, wie ein Schaber, der das Rührei von einer Antihaftschichtpfanne kratzt, deren Antihaftschicht dahin ist, jetzt würde ich auch liebend gern vor diesem Mal kneifen.
Als Damien auf dem Weg vom Badezimmer das Licht abdunkelt, gerate ich in Panik. Das liegt nicht daran, daß er versucht, den passenden Rahmen zu schaffen, sondern daran, daß er seine Kleidung im Badezimmer gelassen hat.
Als er ins Zimmer zurückkommt, trägt er nichts mehr außer einem breiten Grinsen im Gesicht, einem Paar Mickey-Maus-Socken an den Füßen und einem fluoriszierenden Kondom auf seinem beachtlichen Ständer, das in dem schwachen Licht grün und unheimlich glüht.
Ich kriege den Mund nicht mehr zu.
Und Sie dürfen mir glauben, das soll keine Einladung zum Oralsex sein.
»Damien ist nackt, Damien ist nackt!« Dieser Gedanke geht mir nicht mehr aus dem Sinn, wie ein dummer Kinderreim.
Völlig überrumpelt starre ich auf die selbstbewußte, prahlerische Figur vor mir. Er hat leichte X-Beine und eine stark behaarte, dunkle Brust; über dem Bauch läuft das Haar spitz zusammen und führt als dünne Linie nach Süden, wo es auf einen gewissen Appendix trifft, der seinerseits entschieden nach Norden deutet.
»Alles klar?« krächzt er.
Ich kann nur eines tun.
Ich fange an zu lachen. Erst ganz leise, dann aber schüttele ich mich kichernd, bis ich schließlich schallend lache wie ein asthmatischer Esel. Tränen laufen mir über die Wangen. Damiens Ständer sinkt schneller in sich zusammen als eine Hüpfburg, der man einen üblen Tritt mit dem Stöckelschuh verpaßt hat. Man stelle sich nur mal den schiefen Turm von Pisa vor, der da
groß, leicht schräg und selbstbewußt aufragt, und plötzlich umkippt wie der letzte Dominostein in einer langen Reihe. Er verschwindet zwischen den Eiern wie eine mißmutige Schildkröte, die sich verstecken will. Plötzlich wird selbst Damien bescheiden, bedeckt seinen geschrumpften Pimmel mit den Händen und starrt mich mit weit aufgerissenen Augen gekränkt und empört an.
Ich grabsche nach meiner Handtasche und stolpere rückwärts. Mein Gesicht ist zu einer clownesken, lachenden Grimasse verzogen, und ich versuche, den hysterischen Ausbruch zu unterdrücken. Ich schaffe es irgendwie, mich zurückzuhalten, bis ich aus der Wohnung heraus und an der frischen Luft bin. Dort sinke ich brüllend vor Lachen gegen den schmiedeeisernen Zaun.
Ein zornrotes Gesicht erscheint kurz am Fenster von Damiens Wohnzimmer.
»Treffer Nummer drei!« rufe ich ihm zu, bevor es hastig im Schatten verschwindet und ich handtaschenschwingend die Straße hinuntergehe.
»Hast du’s getan?«
So lautet seit neuestem Emmas Standardbegrüßung. Sie sagt nicht länger hallo, wenn sie mich begrüßt.
Ich hocke am Küchentisch, versunken in Selbstmitleid. Wir haben keinen Eisbeutel, wir haben noch nicht mal kleine Gefrierbeutel für Tiefkühlgemüse. Ich war also gezwungen, eine alte Bademütze mit Speiseeis, Marke Cookies and Cream, zu füllen – o welch Schande, welch Verschwendung – und sie mit einer Kordel zuzubinden, um mir damit den hämmernden
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