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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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aufzusetzen und einen Schluck Whisky zu verlangen.
     
    »Lover«, sagte Shamus strahlend und klatschte in die Hände, »was für ein kluger Junge. Hat alles ganz allein geschafft!« Ein paar Stunden, ein paar Leben später widmete sich der gleiche Lebensretter gewissenhaft der dringlichen Aufgabe, die bekleckste, nackte Gestalt im Bett wieder mit den Idealen, Dimensionen und dem Ruhm seines gefallenen Freundes zu bekleiden.
     
    Inzwischen hatte die Welt sich für Cassidy mehrmals gedreht. Das erste Mal erwachte er und hörte das Heulen eines Sturms, und das Hotel krachte wie ein Schiff, und er stellte sich vor, daß das nasse Straßenpflaster sich im Taifun aufbäumte und die Mutterhuren sich, um ihr Leben bangend, an die Laternenpfosten klammerten. Der Sturm von shakespearescher Pünktlichkeit angesichts der äußersten Turbulenz in Cassidys unsterblicher Seele weckte auch Shamus, den Cassidy am Fenster entdeckte, wie er sich hinaus- und hinunterbeugte, über drei Stockwerke auf den Innenhof. Ohne Hast schritt Cassidy auf ihn zu und legte ihm den Arm um den mächtigen Rücken.
    »Mein Stummel ist mir runtergefallen«, sagte Shamus.
    Achtzehn Meter weiter unten glomm ein roter Funke wie durch ein Wunder im tanzenden Regen.
    »Das ist alles, was wir sind«, sagte Shamus. »Verdammte kleine Fünkchen in einem großen tiefen Dunkel.«
    Nachdem es ihm dank seiner latenten maschinenbautechnischen Geschicklichkeit gelungen war, den altmodischen Messinghebel herumzulegen, der mittels Stangen und Haken die dicken Fensterrahmen zusammenzwang, brachte Cassidy Shamus ins Bett zurück und kletterte nach ihm hinein.
    Doch er schlief nicht.
    Das Unwetter endete so plötzlich, wie es aufgekommen war, an seine Stelle trat eine sonntägliche Ruhe, die an das Haus in Abalone Crescent erinnerte, an den seltenen Tagen, an denen keine Handwerker um den Weg waren.
    Quer über die nackten Glieder des Kinderwagenverkäufers hingestreckt war der Autor endlich eingeschlafen.
    Friede, dachte Cassidy; Sandra ist nach oben gegangen.
     
    »Großartige Nacht«, sagte Shamus und blickte ihn nicht an.
    »Großartig.«
    Das Doppelbett. Eier und Kaffee, vom Algerier heraufgebracht, Sonnenlicht auf der Bettdecke.
    »Festlich, bildend, belehrend. Lover, gib mir einen Job.«
    »Nein.«
    »Hör zu, ich habe die Kinderwagen verkauft, oder? Ich werde dir entzückende Prospekte schreiben. Lover, Ehrenwort.«
    »Nein.«
    »Schau, ich habe neulich nachts einen entworfen, soll ich ihn dir vorlesen?«
    »Nein.«
    »Ich werde deine rechte Hand sein. Dein Gepäck tragen, deine Anrufe beantworten … Ich bin ungleich besser als diese kneifärschige Sekretärin. Ich werde meinen Namen ändern, und sofort …«
    »Iß deine Eier auf«, sagte Cassidy.
    Während Shamus döste, tätigte Cassidy einige Anrufe an die Welt, in der er lebte. Zuweilen, wenn er ihn eine Zahl nennen hörte – fünf, zehntausend, frei Schiff, Deckung durch Kredit –, brummte Shamus oder bedeckte das Gesicht mit den Händen. Manchmal weinte er. Und am Nachmittag gab, noch immer im Bett liegend, ein zahmer, ausgeruhter und entschieden ganz gewöhnlicher Shamus seine persönliche und ausweichende Version des Höllenhundes Dale preis.
    Wie Dale ein Spion sei, der sich als einer der Wenigen ausgebe, in Wahrheit jedoch ein verschworener Anhänger der Viel-zu-Vielen sei. Wie er im Schutz der Dunkelheit Bestechungsgelder von Bischöfen und Jaguarbesitzern annehme und seinem frustrierten Eheweib treu bleibe. Wie Moon Geld eingebracht habe, die anderen Bücher hingegen nicht; wie die Vorschüsse auf die gebundene Ausgabe immer weniger geworden und die Vorschüsse auf die Paperbacks ganz ausgeblieben seien; und er sprach ganz fachmännisch von Optionen und Copyrights und Dingen, die Cassidy, da er im Patentrecht versiert war, zumindest am Rande verstand. Wie Dale verlange, daß er den Mittelteil neu schreibe und dann nochmals eine ernstliche Prüfung in Erwägung ziehen wolle. Und wie Shamus schleunigst zurück müsse, um ihn zu erschießen, er wolle sich von Hall ein Gewehr ausborgen, es sei kein Tag zu verlieren.
    »Als Alternative«, sagte Cassidy leichthin, »könntest du den Mittelteil neu schreiben.«
    Langes Schweigen.
    »Dich werde ich auch erschießen«, sagte Shamus.
    »Ich habe natürlich den Mittelteil nicht gelesen. Aber wenn alles, was du schreibst, vollendet ist, dann ist das etwas anderes.«
     
    Schmollend rollte Shamus sich auf die andere Bettseite. Als er sich später zum Ausgehen

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