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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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das auf den Chirurgen wartet. Cassidy zeichnete die Rechnung ab und gab dem Ober eine Fünf-Pfund-Note.
    »Stimmt so. Das gilt für alles, was wir vielleicht sonst noch brauchen. Als Trinkgeld, meine ich.«
    Der Kellner schien nicht glücklich.
    »Ich habe Wechselgeld bei mir, Sir.«
    »Schön, dann geben Sie mir drei Pfund zurück.« Transaktion.
    »Wird drunten immer noch getanzt?«
    »O ja, Sir.«
    »Um welche Zeit machen Sie Schluß?«
    »Um sieben Uhr, Sir. Ich bin der Nachtkellner, Sir.«
    »Nicht angenehm für Ihre Frau«, sagte Cassidy.
    »Sie hat sich daran gewöhnt, Sir.«
    »Haben Sie Kinder?«
    »Eine Tochter, Sir.«
    »Was macht sie?«
    »Sie ist in Oxford droben.«
    »Fein. Großartig. War ich auch. Welches College?«
    »Sommerville, Sir. Sie studiert Zoologie.«
     
    Einen Augenblick lang war Cassidy drauf und dran, ihn zum Bleiben aufzufordern; sich mit ihm zu einem langen, zeremoniösen Dinner zu setzen, den Wein mit ihm zu teilen und das Steak zu essen und mit ihm über ihre respektiven Familien zu plaudern und über die Feinheiten des Hotelgewerbes. Er wollte ihm von Hugos Bein erzählen und von Sandras Klavierspiel und seine Ansicht über den freitragenden Anbau hören. Er wollte ihn nach Old Hugo und nach Blue fragen; ob er Gerüchte gehört habe, ob Old Hugo noch immer ein bekannter Name sei.
    »Soll ich die Flasche öffnen, Sir? Oder wollen Sie es selber tun?«
    »Sie haben nicht zufällig eine Zahnbürste, Cassidy?« rief Helen aus dem Badezimmer. »Man sollte meinen, das Hotel würde sie liefern, nicht wahr, für Leute wie uns?«
    »Lassen Sie den Korkenzieher hier«, sagte Cassidy und hielt dem Kellner nochmals die Tür auf.
    »Der Portier wird eine Zahnbürste haben, Sir; wenn Sie es wünschen, kann ich eine heraufschicken.«
    »Schon in Ordnung«, sagte Cassidy. »Nicht nötig.«
    Die Weltbevölkerung wächst um siebzig Millionen , Lover . Eine Menge Leute , denen man Trinkgeld geben muß , eine ganze Menge .
    »Ist Ihres zäh?« fragte Helen.
    »Nein, sehr gut. Und Ihres?«
    »Sehr gut.«
    Sie saßen auf den gegenüberliegenden Bettkanten und aßen ihre Steaks, Helen in einem Badetuch und Cassidy im Smoking. Das Badetuch war sehr lang, blaßgrün, mollig und wollig. Sie hatte ihr Haar ausgekämmt. Es fiel in glatten rotbraunen Zöpfen über ihren nackten weißen Rücken. Ohne das Make-up wirkte sie sehr kindlich; ihre Haut hatte die strahlende Unschuld, die bei manchen Frauen sichtbar wird, wenn sie gerade nackt gewesen sind. Sie roch nach einer würzigen Männerseife, wie Sandra sie in seinen Weihnachtsstrumpf steckte; und sie saß genauso da, wie sie in Haverdown dagesessen hatte, auf dem Sofa in der Morgendämmerung.
    »Wenn Sie sagen ›begehren‹, meinen Sie ›lieben‹?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Cassidy. »Es war Ihre Frage, nicht meine.«
    »Was sind die Symptome?« fuhr Helen, das Thema einkreisend, fort. »Abgesehen von der Lust, die, wie wir wissen, zwar köstlich ist, indes nicht den ganzen Drink über anhält, oder?«
    Cassidy goß Wein nach.
    »Ist das Bordeaux?« fragte sie. »Oder Burgunder?«
    »Burgunder. Kennt man an der Form der Flasche. Breitschultrige sind Bordeaux, die abfallenden sind Burgunder. Helen, Sie sind das einzige, was ich begehre. Sie sind klug und schön und verständnisvoll … und Sie mögen Männer am liebsten.«
    »Sie meinen, das haben wir gemeinsam?« forschte Helen.
    Er wünschte von Herzen, Shamus möge ihm zu Hilfe kommen und das Ganze nochmals sagen. Helen ist unsere Kraft; an diese Stelle erinnerte er sich, an diese Stelle glaubte er: Helen wird immer dorthin gehen, wo ihr Herz ist, sie kennt keine andere Wahrheit. Helen ist unser Festland; Helen ist … Außerdem gab es eine Formel. Shamus hatte sie ihm auf der Tapete aufgeschrieben, bei einer Sauftour in Pimlico, in der gleichen Nacht, in der er ihm vom Steppenwolf erzählt hatte, der aus den Weiten seiner wölfischen Einsamkeit die Sicherheit kleinbürgerlichen Lebens ersehnt. Die Formel enthielt einen Bruch; warum konnte er sich nicht daran erinnern, er, Cassidy, der Erfinder von technischem Zubehör, von Patentbremsen und Kupplungen? Cassidy geteilt durch Shamus ist gleich Helen . Oder war es umgekehrt? Helen plus Cassidy ist gleich Shamus? Oder noch anders. Helen hoch Cassidy …
    Irgendwo in Shamus’ Gesetz von der menschlichen Kräftelehre war seine Liebe zu ihr eine Konstante. Aber wo?
    »Cassidy, Sie lieben Shamus noch immer, nicht wahr? Verstehen Sie, ich versuche nur eine

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