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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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»Wir treffen uns in Lowestoft. Ich fahre in ein paar Minuten los.«
     
    »Was meinst du damit?« fragte er Helen, als sie das Embankment entlangschlenderten. »Die ganze Geschichte zusammengereimt . Und welche ganze Geschichte? «
    »Dich und mich als Liebespaar, und er als mein Mann. Es ist das Thema seines neuen Buches, und es ist fabelhaft , Cassidy, im Ernst, meilenweit besser als das letzte, du solltest es lesen. Es ist so gewalttätig , Cassidy. Im Ernst.«
    »Das ist ja wunderbar«, sagte Cassidy herzlich. »Übrigens, was ist aus der Überarbeitung geworden?«
    »Ach, abgelegt unter der Aufschrift Fragmente . Du wirst es seinen nachgelassenen Schriften einverleiben müssen. Er sagt, du wirst ihn um Jahrzehnte überleben. Wirst du auch, nicht wahr, Cassidy, weil du so gerissen bist, Dale hat eine Stinkwut.«
    »Kann ich mir denken.«
    »Es ist so gut wie geschrieben. Er hat einen vollständigen Entwurf gemacht, alle Bauteile fertig. Er muß sie jetzt nur noch zusammensetzen. Ich meine, ich könnte es fast auch für ihn tun, aber du weißt, wie er ist … Ein Abstecher nach der Schweiz, die flüchtige Vision festhalten, zurück nach England im Triumph. Das ist der Plan. Oh, übrigens, wir werden nun dein Chalet benötigen. Shamus sagt, Berge werden genau das Rechte sein. Ich soll dir den Schlüssel herauslocken.«
    »Ach so?«
    »Nun, im Ernst, Cassidy, er nimmt nicht an, daß ich den ganzen Weg nach London marschiere und mich nicht mit Lover treffe, oder?« Wieder senkte sie die Stimme, »Was steht in dem Buch?« fragte Cassidy. Der Inhalt hatte ihn bisher nicht interessiert; war eher ein Hindernis gewesen für den reinen himmlischen Genuß von Shamus’ ungelesenen Werken; doch jetzt entdeckte er, aus Gründen, die ihm noch zu nahe lagen, als daß er sie hätte im einzelnen unterscheiden können – vielleicht Helens Erregung, das baldige Nahen des gewissen Todes-Zeichens, und wollte sie deutlich sehen.
    »Cassidy, es endet mit einem fantastischen Mord, alles in Dublin. Shamus kauft ein Gewehr und dreht durch und alles mögliche , es ist wirklich prima …« Sie kicherte, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. »Alles in Ordnung «, tröstete sie ihn. »Du wirst Shamus töten, keine Sorge. Cassidy, ich bin glücklich , du nicht?«
    »Aber natürlich«, sagte Cassidy.
    »Wie geht’s der Leitkuh?«
    »Bestens.«
    »Keine Hintergedanken?«
    »Wer?«
    »Die Leitkuh.«
    »Nein. Nein, natürlich nicht.«
    »Ich möchte, daß alle Menschen glücklich sind, Cassidy. Shamus, die Leitkuh, die Kälbchen, die ganze Gesellschaft. Ich möchte, daß sie unsere Liebe teilen, und …«
    Cassidy mußte plötzlich lachen.
    »Himmel«, sagte er, »das wird der Tag der Tage sein.«
    Doch als sie ihn umarmte – sie standen mitten auf dem Bürgersteig, nicht weit von Cleopatra’s Needle – , war er dennoch froh, keinen Bekannten zu sehen, nicht einmal die Niesthals.
     
    »Und nachdem du ihn getötet hast«, nahm Helen ihren Bericht wieder auf, während sie im Taxi seinen Arm mit beiden Händen hielt, »kommst du lebenslänglich in ein irisches Gefängnis, und du schreibst einen bedeutenden Roman, Tausende von Seiten lang. Seinen Roman. Wie sind die irischen Gefängnisse, Cassidy?«
    »Bierselig, stelle ich mir vor.«
    »Und sehr schlecht gesichert. Hör mal, du müßtest mich doch in einem herumführen können, nicht wahr? Zentralgefängnis von Dublin, das hat er für dich im Auge. Ich werde alle Kleinarbeit für ihn erledigen, ich hab’s versprochen, und es wird vollständig authentisch sein. Er hat mir eine prima Widmung geschrieben, Cassidy. Eigentlich uns beiden.«
    »Wunderbar.«
    »Es ist nur Fantasie , Cassidy«, sagte sie und küßte ihn überschwenglich. »Ich habe keine Silbe verraten von dem, was wirklich passiert ist, Ehrenwort. Cassidy, das warst doch du , nicht wahr, es war kein Kellner? Ich weiß nicht mehr, ob wir’s im Dunkeln machten oder bei Licht.«
    »Wir haben das Licht brennen lassen«, sagte Cassidy.
    »Und ich war unten?«
    »Zweifellos.«
    »Verstehst du, du mußt ihn erschießen , wenn du überleben sollst, so hat er sich’s ausgedacht. Du mußt ihn erschießen, um deine Souveränität zu wahren. Er ist das Original, und du bist die Imitation, so argumentiert er; und wenn du ihn erschießt, wirst du selber ein Original, es ist äußerst klassisch . Dann wird dein Genie befreit sein, aber im Gefängnis eingesperrt, damit du es nicht versaufen kannst, und die ganze heilsame Disziplin, die du dort

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