Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
Vor ein paar Jahren hatte Cassidy einmal ganz plötzlich, während er durch das gleiche Fenster auf das gleiche langweilige Gehölz blickte, in die schwarzen, geduldigen Augen einer Gemse gestarrt, die sich an die Tunnelwand preßte. Sobald er im Dorf angekommen war, hatte er dem Stationsvorsteher im Interesse des einheimischen Wildbestands Meldung erstattet. Da könnte man nichts mehr machen, hatte der Beamte gesagt, nachdem er sich den Fall des guten Mannes sorgfältig angehört hatte, die Gemse sei bereits seit mehreren Tagen tot.
     
    Diese gelben Lichter sind langweilig; sie schläfern mich ein.
     
    Wie lange war es her, daß er zuletzt geschlafen hatte?
    War irgendwo festgehalten, wie viele Nächte? Mr. Lemming, würden Sie bitte im Protokoll nachsehen.
    Oder war es eine Nacht, die sich über verschiedene Betten und Stockwerke verteilte? Dieses Kreischen jetzt – juristisch gesehen –, wohin gehörte das Kreischen, als sie meinen Fuß nicht losließ, Sandra, meine langjährige Ehefrau, um mich im Schlafzimmer festzuhalten? Ihn an ihren Kopf hielt, in voller Länge auf dem geschmackvollen wolligen Wiltonteppich lag und Christi Knöchel mit ihren Tränen netzte? War das ein Vorfall aus einer ereignisreichen Nacht oder eine ganze Nacht für sich?
     
    Wer hat die Uhr zerbrochen? Diese Großvateruhr. Wer zerbrach sie? Für vierhundert Pfund Einlegearbeit aus dem sechzehnten Jahrhundert in der Halle von der Konsole gekippt? Heraus mit der Sprache! Es ist völlig natürlich , wenn man eine Uhr zerbricht , ich möchte lediglich wissen , wer es war . Ich zähle bis fünf , wenn der Schuldige sich nicht freiwillig meldet , werde ich den Satz nicht beenden .
    Eins …
    Der erste Tatverdächtige (die soziale Klasse hat viel mit der Kriminalität zu tun) ist Snaps geiler Werbefritze, der über das Treppengeländer herab in seinem weinroten Cordanzug die freie Liebe predigt. Der gehässige Kerl hat der Uhr einen Stoß gegeben, es war seine Methode, die Kluft zwischen den Generationen zu schließen. Doch warte, Snaps hat ihren Bau verlassen und den Werbemenschen mitgenommen. Sich nach Bournemouth geflüchtet, Ursache Schwangerschaft, sie bekommt sie gern an der See, Wasser ist sogar noch besser als Luft.
    Zwei …
    Wer sonst? Schnell, wer sonst?
    Oma Groat, mutmaßliche Schwiegermutter, ehemals Mutter der Angeklagten, stolpert durch dunkle Korridore, um Strom zu sparen: Sie hat’s getan …
    Nicht schuldig, tut mir leid. Entschiedene Handlungen sind nicht ihr Stil, auch nicht versehentlich.
    Drei , ich warne euch …
    Sehr gut: Du warst es! Sandra selber, naßgesabbert vom Weinen, keine Kraft mehr zum Schlafen; Sandra taumelte in höchster Erschöpfung gegen die Uhr, stieß sie um, ehe sie selber stürzte?
    Nicht schuldig. Sie würde es eingestehen.
    Vier …
    Hilfe! Ich klage an Old Hugo, Satansanbeter, Hexenmeister, Besitzer des bösen Blicks!
    Während er aus dem Fenster des Penthouse starrte, an einem Gläschen Brandy-Soda nippte, durchschnitt der alte Zauberer in voller Absicht die Luft mit einer vertrauten Handbewegung und schickte unheilbringende Wellen aus, die bis nach Abalone Crescent vorstießen und das Instrument der Zeit zerstörten!
     
    »Vater, ich brauche ein Bett.«
    »Dann geh heim, dort wartet eins auf dich, oder?«
    »Vater, bring mich ins Bett. Bitte.«
    »Geh heim! Du wirst kriminell werden, wenn du dieses Aas nicht wieder heiratest, raus, raus, raus!«
    Der Tunnel war noch immer da, tanzend, nicht schlafend.
     
    »Angie, ich brauche ein Bett.«
    Angie Mawdray stand an ihrer Wohnungstür, sie war in ein leichtes Bettlaken gehüllt, das eine Seite ihres Körpers nicht bedeckte.
    »Es hat keinen Sinn, Aldo«, sagte sie. »Ehrlich.«
    »Aber Angie, ich will doch nur schlafen.«
    »Dann geh in ein Hotel, Aldo, du kannst nicht hierherkommen, du weißt doch, jetzt nicht mehr.«
    »Aber Angie.«
    »Ich bin verheiratet«, erinnerte sie ihn ziemlich streng. »Du mußt es doch wissen, Aldo, du hast die Geldsammlung im Büro organisiert.«
    »Natürlich«, sagte Cassidy. »Natürlich habe ich das, entschuldige. Guten Abend, Meale, wie geht’s dann?«
    Unter Che Guevaras kompromißlosem Blick nickte Meales blasses Gesicht seinem Herrn Gebieter respektvoll an. Er wäre bestimmt aufgestanden, doch seine Nacktheit war gegen ihn.
    »Guten Abend, Mister Aldo, treten Sie näher. Entschuldigen Sie die Unordnung, Sir.«
    »Komm nachmittags«, flüsterte Angie. »Ich arbeite nur morgens, nicht wahr, Dummerchen?

Weitere Kostenlose Bücher