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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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trocknete ihn mit einer Teeserviette; das blaue Auge strahlte wieder, dort, wo die Tränen den Puder weggewaschen hatten. »Und er stellte sich uns nicht in den Weg«, schluchzte sie. »Oh, Shamus, Darling.«
    »Weißt du, Lover«, erklärte Shamus, »du bist der einzige, den ich je hatte. Ich meine, Christus hatte zwölf, nicht wahr, elf gute, einen schlechten. Aber ich hatte nur dich , also mußtest du in Ordnung sein, oder?«
    Das Licht brannte wieder. Shamus reichte Talisker herum. Helen nahm, sehr stolz und gelassen, an Cassidys Arm die Glückwünsche der Gäste entgegen. Ja, sie hatten sich eigentlich in Westengland kennengelernt, sagte sie; vor etwa einem Jahr; und einander von Stund an geliebt und es nur Shamus zuliebe geheimgehalten. Die Ansprachen waren kurz und zur Sache, niemand wurde langweilig oder schweifte ab. Shamus, der mit hochroten Wangen herzhaft becherte, war die Zufriedenheit in Person: Wenn sie Kinder bekämen, müßten sie katholisch erzogen werden, sagte er, es sei die einzige Bedingung, die er gestellt habe.
    »Er ist Schriftsteller «, informierte Beth Elderman die Mädchen, ihr Gesicht war rot vor Stolz. »Das sind Ausnahmemenschen, deshalb versteht er alles auf der Welt. Ihr dürft nie, niemals Kompromisse schließen, hört ihr? Sally, paß auf, was hat Mummy gesagt?«
    »Ich sehe soviel davon«, sagte John Elderman über seine wiedererstandene Pfeife hinweg. »Jeden Tag, den der Teufel gibt, im Sprechzimmer, drei, vier Fälle. Sie würden sich wundern. So vieles könnte vermieden werden«, vertraute er Shamus an, »wenn sie nur Hilfe hätten.«
    »Und natürlich, wie er es so lange mit der anderen ausgehalten hat«, sagte Beth Elderman zu jedem, der es hören wollte, »das weiß Gott allein. Ich meine, das war die Katastrophe.«

38
    Die Gäste versammelten sich unter der Tür. Kinder vorn, Erwachsene dahinter. Der Brautschlitten stand bereit, wiederum Marks Rodel; John Elderman und Shamus hatten das Gepäck an den Bug geschnallt. Ein leichter scharfer Wind war von Norden aufgekommen. Der Nebel war endgültig weg, aus dem Regen war Schnee geworden, dünner körniger Schnee, der bereits auf den Fensterbrettern liegenblieb. Für die Hochzeitsreise trug die Braut einen gutsitzenden Schaffellmantel, den sie in Sandras Schrank gefunden hatte, und eine entzückende weiße Pelzmütze, die Mark als Mummys Hasenohren bezeichnete.
    »Ist es nicht komisch«, sagte sie in ihrer Erregung, »wie gut mir alles paßt, ohne Änderung?«
    Ihre Stiefel waren aus Seehundfell, obwohl sie gegen das Robbenmorden war. Sie küßte die Mädchen überschwenglich und ermahnte sie, lieb und gut zu sein und später einmal brave Ehefrauen zu werden.
    »Was ihr bestimmt werdet«, sagte sie und weinte ein bißchen. »Ja, das weiß ich.«
    Beth Elderman erteilte sie ein paar letzte Haushaltswinke. Mit der Ölheizung kenne sich kein Mensch aus, am besten gebe man ihr einen Tritt.
    »Und im Kühlschrank ist noch kalte Ente, und die Milch steht auf dem Büfett. Kaufen Sie, um Gottes willen, keine Konsum-Butter, sie ist nicht billiger und völlig ranzig.«
    »Wir glauben, Sie haben das richtige getan«, sagte Beth.
    »Wir wissen es«, sagte ihr Mann.
    »Bis dann«, sagte Shamus.
    Er hatte sich bescheiden am Ende der Schlange postiert, im Schatten der anderen; er hielt eine Taschenlampe in der einen Hand und ein Glas in der anderen; er war barfuß, und die Schöße seines Schlafrockes hätten eine Gardine sein können, vom Fenster in die Diele entlehnt.
    »Ist das alles, was du zu sagen hast?« sagte Helen schließlich.
    » Bis dann? «
    »Paßt auf die Kaninchenlöcher auf.«
    »Ich möchte dich küssen«, sagte Helen.
    »Heiße Küsse sind vergänglich«, sagte Shamus mit einem Somersetakzent, den Cassidy noch nicht gehört hatte, »warme Küche bleibt.«
    Recht hoffnungslos wandte sie sich John Elderman zu.
    »Keine Sorge«, sagte der große Psychiater. »Wir kriegen ihn schon wieder hin.«
    Mit etwas linkischem Schürzen der Röcke und einem letzten Blick auf Shamus bestieg sie den Schlitten, setzte sich ganz nach vorn zum Gepäck, so daß Cassidy die verantwortliche Position auf dem Rücksitz einnehmen konnte.
    »Wollt ihr euch scheiden lassen?« fragte ein kleines Mädchen.
    »Sei still«, sagte Beth Elderman.
    »Hugo sagt, er ist geschieden«, sagte das gleiche Mädchen.
    »Aldo«, sagte Beth Elderman mit ihrem vegetarisch-mineralischen Lächeln. »Rufen Sie uns an. Wir stehen im Telefonbuch.« Sie küßte ihn, und er

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