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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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wieder wollte er rückblickend darin eine mutige Tat sehen; und zuweilen, wenn er über seine Mißgeschicke lamentierte, bereute er zutiefst die Jahre, die er an das Wort Gottes verschwendet hatte.
    »Da stand ich und versuchte, diese Nassauer die Weisheit zu lehren, und was war der Erfolg? Vier alte Vetteln und ein Schwachkopf.« In einem Abschnitt seines Lebens war er auch Parlamentsmitglied gewesen, allerdings hatten Cassidys Anfragen bei der Schriftführung des Unterhauses keine Bestätigung der Behauptung ergeben; und er hatte auch bei keiner Wahl kandidiert, an die irgendeine Parteileitung sich erinnern konnte. Desungeachtet folgten die Buchstaben M. P. ihm auf Schritt und Tritt, sogar auf seinen Rechnungen; und standen fett gedruckt auf dem Namensschild unter seiner Türklingel.
    Heute war der Tag, an dem man das Savoy kaufen mußte.
    »Es kann nicht schiefgehen«, drängte Old Hugo. »Was ist denn ein Hotel schon, kannst du mir das sagen?«
    »Du kannst es mir sagen«, erwiderte Cassidy bewundernd, denn er kannte die Antwort nur allzu gut.
    »Ziegel und Zement, Essen und Trinken, das ist ein Hotel. Die Grundelemente, die Grundtatsachen des Lebens. Schutz und Nahrung; was will man mehr?«
    »Vollständig richtig«, sagte Cassidy und fragte sich im stillen wie immer bei diesen Gesprächen, wieso sein Vater, wenn er so gut in geschäftlichen Dingen Bescheid wußte, seit zwanzig Jahren ohne einen Penny dastehen konnte. »Was du da sagst, hat eine Menge für sich«, fügte er mit pflichtschuldiger Begeisterung hinzu.
    »Laß die Patentbremsen sausen. Die Patentbremsen sind tot. Kinderwagen ebenfalls. Alles tot. Denk an die Pille. Denk an Vietnam. Willst du vielleicht behaupten, mein Sohn, daß dies eine Welt ist, in der Eltern ihre Babys so aufziehen werden, wie deine Mutter und ich das taten?«
    »Nein«, stimmte Cassidy liebenswürdig zu, »wahrscheinlich nicht«, und schrieb ihm einen Scheck über hundert Pfund aus.
    »Wird das für ein Weilchen reichen?« fragte er.
    »Vergiß nie«, bemerkte sein Vater, während er die Wörter und die Zahlen nachlas, »welche Opfer ich für dich gebracht habe.«
    »Könnte ich nie«, versicherte ihm Cassidy. »Ehrlich.«
    Old Hugo drapierte sorgfältig den Morgenmantel um die nackten weißen Knie, schlurfte zum Fenster und blickte über die nebelverhangenen Dachfirste des Dickensschen London.
    »Trinkgeld«, brach es in plötzlicher Erbitterung aus ihm hervor – vielleicht sah er zwischen den Schornsteinkappen Generationen unbezahlter Kellner herabsteigen, Zyprioten aus dem Waldorf in Yarmouth, Angelsachsen im Grand Pier in Pinner. »Trinkgelder gibt man aus Schiß. Ich hab’s oft genug gesehen. Jeder verdammte Narr kann Trinkgelder geben, wenn er zehn Shilling und eine Westentasche hat.«
    »Nun, ich weiß doch, daß du dann und wann einen kleinen Zuschuß brauchen kannst.«
    »Du wirst mich nie auszahlen können. Niemals. Du hast Gaben, die kein Mensch hoch genug einschätzen kann, du am allerwenigsten. Und woher hast du sie? Von deinem Alten. Und wenn ich einst gerichtet werde, wie es sicher der Fall sein wird, so sicher wie die Nacht auf den Tag folgt, mein Sohn, dann täusche dich nicht, ich werde einzig und allein nach den vielen wunderbaren Talenten und Eigenschaften gerichtet werden, die ich an dich weitergab, obwohl du es nicht wert bist.«
    »Ganz bestimmt«, sagt Cassidy.
    »Deine Erziehung, dein Scharfsinn, dein Erfindergeist, alles. Denk an deine Moral, denk an deine Religion. Wo wären sie , wenn ich dich nicht rechtschaffen erzogen hätte.«
    »Inexistent.«
    »Kriminell wärest du. Hoffnungslos kriminell wie deine Mutter, wenn ich diesen Burschen in Sherborne nicht ein verdammtes Vermögen gezahlt hätte, damit sie dir Anstand und Vaterlandsliebe beibringen. Du hast jede nur mögliche Chance bekommen. Wie ist dein Französisch?«
    »So gut wie eh und je«, sagte Cassidy.
    »Das kommt daher, daß deine Mutter Französin war. Ohne mich hättest du nie im Leben eine französische Mutter gehabt.«
    »Ich weiß«, sagte Cassidy. »Übrigens, du weißt nicht zufällig, wo sie ist, wie?«
    »Nur nicht aufgeben«, beschwor ihn Old Hugo. Die blutlose Hand beschrieb einen ausholenden Bogen, als wollte sie die Sonne in ihrem Lauf bremsen. »Mit Sprachen kommt man durch die ganze Welt«, belehrte er das All. »Die ganze Welt. Betest du auch immer noch?«
    »Natürlich.«
    »Kniest immer noch nieder und faltest die Hände wie ein kleines Kind?«
    »Jeden Abend.«
    »Den

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