Wachsam
erkundigte sich der Minister. » Franko-Normannisch , diese Sorte?«
»Es scheint so«, sagte Cassidy.
»Sie sollten es ihnen sagen. Würde ihnen imponieren. Wir kommen hier nur deshalb einigermaßen durch, weil sie eine halbe Lamey ist. Alle anderen von uns hassen sie wie die Pest, haben sie schon immer gehaßt. Natürlich hassen sie auch uns , nur daß sie eben eine halbe Lamey ist.«
Eine Horde Nachwuchsdiplomaten kam durch eine andere Tür herein.
»Können wir Sie zu einem Drink verführen?« fragten sie Mrs. McKechnie, indem sie sich laut Instruktion an die häßlichste der anwesenden Damen hielten. Einer offerierte Canapés auf einem Tablett, und ein anderer fragte, ob sie wohl auch Zeit für Privatvergnügungen haben werde.
»Sie trägt ein bißchen dick auf mit den zehntausend«, sagte McKechnie abseits zu Cassidy. »Es sind eher zwei.«
»Es ist Platz genug für uns beide«, sagte Cassidy.
»Sie ist fair, hören Sie.«
»Davon bin ich überzeugt. Wo wohnen Sie?«
»Imperial. Übrigens, waren die Japse bei Ihnen?«
»Ja, heute vormittag.«
»Das muß abgestellt werden«, sagte McKechnie, und zu Sanders, der zu ihnen getreten war, »ich sage gerade zum jungen Cassidy da, wir müssen etwas unternehmen wegen der Japse.«
»Japse?« sagte Sanders verständnislos. »Was für Japse?«
McKechnie blickte Cassidy an, und Cassidy blickte McKechnie an, und beide blickten Sanders an, diesmal voll Mitleid.
»Vermutlich suchen sie nur die großen Firmen heim«, sagte McKechnie.
»Ganz bestimmt sogar«, sagte Cassidy und entfernte sich, als folgte er einem Ruf.
Sie waren ungefähr zwölf Personen, vielleicht vierzehn, einschließlich der Gastgeber, doch es traf laufend Verstärkung ein. Das Thema waren Transportmittel. Bland und Cowdry hatten gemeinsam ein Taxi genommen; Crosse war zu Fuß gegangen, und die Nutten hatten ihn fast aufgefressen: »Einige waren ganz reizend, halbe Kinder, neunzehn oder zwanzig, eine Schande.« Martenson hatte schon fast beschlossen, nicht zu kommen, als Protest gegen den Botschafter, der seiner Ansicht nach der Eröffnung hätte beiwohnen müssen. Sobald er wieder zu Hause in Leeds sein werde, sagte er, werde er bei seinem Abgeordneten eine Beschwerde einreichen.
»Verdammter Pfau, dem werd’ ich den Schwanz stutzen. Wir verdienen’s, er gibt’s aus. Schaut euch nur mal diesen Riesensaal an. Einen Mann aus der Wirtschaft: mehr braucht man nicht. Einen Mann . Die ganze verdammte Botschaft könnte man nach Hause schicken, bis auf diesen einen.«
Während er dieser aufschlußreichen Rede lauschte, hörte Cassidy den Butler einen ungewöhnlichen Namen melden. Er bekam ihn nicht genau mit, aber es klang wie Zola; sicher waren es Conte et Contessa, und er drehte sich um, um sie eintreten zu sehen. Später sagte er, ein Instinkt habe in ihm gesprochen: Nur aus einem Instinkt lasse sich erklären, warum er sich von Crosse und Cowdry getrennt habe und einen großen Schritt zurückgetreten sei, um deutlicher zu sehen, wie Shamus sich galant über die Hand seiner Gastgeberin beugte.
Er trug seinen Anzug aus der Rue de Rivoli und ein blaßlachsrosa Hemd, das Cassidy gehörte, ein heißgeliebtes Kleidungsstück, das er für eine besondere Gelegenheit reserviert hatte. Ein dunkelhaariges Mädchen stand ihm zur Seite und hatte eine Hand leicht auf seinen Arm gelegt. Es war heiter und sehr schön und stand direkt unter dem Licht. Von seiner günstigen Warte aus bemerkte Cassidy mit der Scharfsichtigkeit, die häufig einen jähen Schock begleitet, die kühne Spur eines Liebesbisses unten an ihrem Hals.
»Er macht Ihnen keine Scherereien?« fragte McKechnie, der sich wieder zu ihm gesellt hatte. »Meine Frau sagt, er ist andersrum wie eine umgestülpte Socke.«
»Wer?«
»Meale.«
»Bestimmt nicht«, sagte Cassidy. »Ich glaube eher, wenn überhaupt, so übertreibt er in der anderen Richtung.«
» Wahnsinnig wagemutig von Ihnen«, knautschte die Ministersgattin, »daß Sie einen eigenen Vertreter in Warschau halten. Was tut er die ganze Zeit?«
»Ach, wir haben eigentlich beachtliche Geschäfte da drüben«, gestand Cassidy bescheiden. »Sie würden sich wundern.«
» Halten Sie ihn nie zurück «, flüsterte Helen. »Versprechen Sie, daß Sie das nie tun werden .«
Shamus bezauberte sie alle. Würdevoll und gesetzt bewegte er sich artig von Tisch zu Tisch, redete hier, lauschte dort und beugte sich leutselig zu den Damen, wenn er ihnen Canapés und Whisky anbot. Wer ihn
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