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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Du bist so voller Wahrheit, dachte Cassidy, als er ihn wiederum anblickte, was gibt es da zu verzeihen?
     
    »Dale?«
    Shamus murmelte etwas, aber Cassidy konnte die Worte nicht verstehen. Du träumst, dachte er, und drehte sich um, um ihn nochmals anzuschauen, du träumst von Elsie und vom Kinderwagenverkaufen. Warum nicht von Helen träumen?
    Plötzlich schrie Shamus auf, ein kurzer harter Aufschrei: »Dreck« oder »weg« und rollte die Schultern in zorniger Abwehr.
    »Shamus«, sagte Cassidy ruhig, streckte die Hand aus und berührte ihn. »Shamus, alles in Ordnung, ich bin’s; Cassidy. Ich bin da, Shamus.«
    Nein, dachte er, als Shamus sich wieder beruhigt hatte, besser nur wir beide. Von Helen träumen wir ein anderes Mal.
     
    »Dale, du gemeines Aas.«
    »Ich bin nicht Dale. Ich bin Cassidy.«
    Langes Schweigen.
    »Darf ich mit zur Messe?«
    »Ja, Sie dürfen mit.«
    »In meinem neuen Anzug?«
    »In Ihrem neuen Anzug.«
    Minuten später erwachte Shamus wiederum jäh.
    »Wo ist meine Nelke?«
    »Hab’ sie ins Zahnglas gestellt.«
    »Ist nämlich für die Damenkundschaft auf der Messe.«
    »Ich weiß. Wird sie umhauen.«
    »Gute Nacht, Lover.«
    »Gute Nacht, Shamus.«

17
    Für Cassidy war der Tag langweilig, für Shamus die reine Wonne. Der Kinderwagenverkäufer erhob sich ohne Hast, seine Ohren hallten bereits von den beutegierigen leeren Klischees der Branche; doch der große Schriftsteller war bereits angekleidet, bis auf die Füße; schritt im Zimmer auf und ab in der Hochform des jungen Managers, der versessen darauf ist, seine Verkaufszahlen zu steigern. Seine Lackschuhe waren draußen beim Putzen; in den Nähten war Staub gesichtet worden. Cassidy hatte vorgehabt, spät aufzubrechen, doch davon wollte Shamus nichts wissen. Große Siege lägen in der Luft, behauptete er; Cassidy und Shamus müßten zeitig auf dem Schlachtfeld sein und die Truppen anfeuern.
    Sie kamen bei Nieselregen an; die Zelte hingen trübselig auf ihren Pflöcken und rochen nach Rugby und Umkleideraum.
    »Bee-Line?« rief Shamus entrüstet. » Bee-Line? Nie davon gehört.«
    »Unser Hauptkonkurrent«, sagte Cassidy.
    Zwei Beefeaters bewachten den Eingang; Hellebardiere reichten Faßbier in Zinnkrügen.
    »Soll das heißen, daß Sie zusammen mit dem Feind kampieren? Herrgott, Lover, Sie müssen sie niederbrennen! Ihre Weiber schänden, spießen, die ganze Brut!«
    »Nicht so stürmisch«, sagte Cassidy. »Hallo, Mr. Stiles.«
    »Oh, hallo , Mr. Cassidy. Wie gehen die Geschäfte? Macht sich, wie?«
    »Nicht besonders; soll hübsch ruhig sein.«
    »Ich glaube, es ist überall das gleiche«, sagte Stiles voll Genugtuung. »Ich glaube nicht, daß die Abwertung den gewünschten Effekt hat, was meinen Sie?«
    »Ganz bestimmt nicht«, sagte Cassidy.
    »Arschkriecher«, sagte Shamus, als sie weggingen. »Widerling.«
    »Man muß mit ihnen auskommen«, erklärte Cassidy. »Schließlich müssen wir hier gegen das Ausland zusammenhalten.«
    Das Cassidyzelt gab ihm seine frohe Laune wieder. Shamus, der als ›wichtiger Verbindungsmann zum Direktor‹ vorgestellt worden war, testete die Chassis, fuhr in einem Sportwägelchen, flirtete mit den Mädchen und unterhielt sich mit Meale, der in jüngster Zeit außerordentlich mürrisch geworden war und den Wunsch geäußert hatte, die Ordensgelübde abzulegen, über den Heiligen Franz von Assisi. Sie alle akzeptieren ihn, dachte Cassidy verwundert; sie akzeptieren ihn alle. Würde ich hier herumlungern, sie hätten mich im Handumdrehen draußen. Ein Besucherschwarm hatte soeben das Zelt betreten, zumeist Skandinavierinnen, Frauen mittleren Alters. Beim Lunch betreute Shamus ein Frøken Svenson aus Stavanger und verkaufte ihr hundert Chassis zum Preis von einem Dutzend pro dreizehn Stück. Sie solle bezahlen, wann immer es ihr passe, sagte er, die Firma Cassidy sei in Geldsachen nicht kleinlich.
    »Treiben Sie Lemming auf«, sagte Cassidy leise zu Meale. »Sagen Sie, er soll den Abschluß stornieren.«
    »Was?« sagte Meale aggressiv.
    »Meale, was ist nur mit Ihnen los?«
    »Nichts, ich finde ihn bloß fabelhaft, weiter nichts; ich finde ihn aufrichtig und großartig.«
    »Sie sollen den Auftrag streichen, verstanden? Unterm Tisch verschwinden lassen. Sie hat nichts unterschrieben, und wir auch nicht. Wir haben im ganzen Leben noch nie dreizehn für ein Dutzend abgegeben, und wir werden jetzt nicht damit anfangen.«
     
    Shamus lag in der Badewanne, spielte mit den Nelken und gab seine

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