Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
jemanden auf seinem Platz. Das war die Gelegenheit. Es herrschte genug Unordnung auf den Rängen, um meine kurze Kletteraktion über das Gitter zu verdecken. Ich stellte schnell die Becher ab, und mit zwei Tritten war ich oben. Ich schwang mich auf die andere Seite, sprang hinunter und landete direkt in den Armen des unfreundlichen Ordners.
Ein paar Minuten später stand ich draußen vor den Toren des Stadions. Für mich war das Spiel vorbei, ohne dass ich davon wirklich etwas mitbekommen hatte – und ohne dass ich Franks Begleitung ausfindig gemacht hatte. Der Ordner kannte kein Erbarmen. Wütend trottete ich zu Özlems Wagen auf dem Besucherparkplatz. Ich setzte mich auf die Motorhaube, und um mich warm zu halten, rauchte ich eine Zigarette nach der anderen.
Das Spiel schien ewig zu dauern. Meine Schachtel war fast leer, als Tina und Özlem endlich zurückkamen. Tina schüttelte den Kopf.
»Wo warst du denn die ganze Zeit, Karina? Du willst nur mal eben zur Toilette, und dann bist du plötzlich verschwunden?«
Ich versuchte ihnen einigermaßen plausibel zu erklären, wie ein einfacher Gang zur Toilette mit dem Rausschmiss aus dem Stadion enden konnte, wobei ich Frank vorsorglich verschwieg, um keine alten Wunden aufzureißen. Tina und Özlem schauten mich ungläubig an, aber ich schlug schnell vor, noch etwas trinken zu gehen, um von dem unangenehmen Thema abzulenken.
»Ich lade euch auch ein. Zumindest auf das erste … « Bier wollte ich eigentlich sagen, aber bei dem Anblick, der sich mir in dem Moment bot, fehlten mir die Worte. Dafür fand Tina ihre Sprache jetzt um so lauter wieder. »Ist das da nicht Frank mit seiner Praktikantin? Aber ich dachte, das hättest du dir nur ausgedacht?«
Das dachte ich auch, und ich hatte auch überhaupt keine logische Erklärung dafür. Die Geschichte von Franks Affäre mit der zehn Jahre jüngeren Praktikantin war unter Druck und aus Mangel an originelleren Ausreden entstanden, aber ganz bestimmt nicht dafür gedacht, jetzt leibhaftig an mir vorbeizuspazieren. Es war eine Lüge, reine Fiktion, die nicht mal im Entferntesten an der Realität orientiert gewesen war. Frank konnte mit so jungen Gören gar nichts anfangen. Deswegen hatte ich die Praktikantin ja für die Geschichte ausgewählt. Weil eine Affäre zwischen ihr und Frank vollkommen unmöglich war und ich nicht eifersüchtig auf sie sein musste. Frank brauchte kein magersüchtiges Unterwäschemodel, sondern eine Frau, die ihm intellektuell ebenbürtig war.
»Hallo, Karina. Und wie hat dir dein erstes Fußballspiel gefallen?«
»Äh, ja, ganz gut.«
Aber Frank ging direkt weiter. Ihm war es offensichtlich unangenehm, dass ich ihn mit seiner Praktikantin sah. Ich überlegte, ob es in der Vergangenheit irgendwelche Anzeichen dafür gegeben hatte – vielleicht einen etwas zu langen Händedruck, einen Blickkontakt, einen Klaps auf den Hintern –, Hinweise, die diese Entwicklung angedeutet hatten und die mein Unterbewusstsein schließlich zu dieser Notlüge verarbeitet hatte. Irgendetwas war hier auf jeden Fall ganz entschieden falsch gelaufen, und ich hatte ungewollt dazu beigetragen.
»Wusste ich es doch. Von wegen ›Karte vergessen‹«, unterbrach Tina meinen Gedankensalat. »Du bist wegen Frank rausgeschmissen worden. Wahrscheinlich hast du ihn verfolgt und dabei mal wieder ein totales Chaos angerichtet. Gib’s schon zu, Karina.«
Tina kannte mich einfach viel zu lange. Ich konnte überhaupt nichts mehr sagen, nur noch Frank und seiner Praktikantin hinterherstarren. Tina überhäufte mich mit gutgemeinten Ratschlägen, bis die beiden aus unserem Blickfeld verschwunden waren.
»Weißt du was, Karina-Schätzchen. Wir gehen jetzt ins Havanna und trinken uns durch die ganze Cocktailkarte. Tim und ein paar Kumpels kommen auch, und gegen die kommt Frank sowieso nicht an.«
ZEICHEN
UND WUNDER
»Sie haben also Englisch und Französisch studiert?«
Herr Klosenberg lehnte sich in seinem Sessel zurück, ohne mich anzuschauen. Er war ein bleicher, bebrillter, etwas schmächtiger Mittfünfziger und entsprach überhaupt nicht meiner Vorstellung von einem Chefredakteur einer Boulevardzeitung. Damit machte er meine mit Tina sorgfältig ausgeklügelten Vorstellungsgesprächsstrategien zunichte, deren Kernpunkte ein viel zu kurzer Rock, ein enges Oberteil und ein extrem roter Lippenstift waren. Er hatte mich bisher noch keines Blickes gewürdigt, und daher konnte ich auch nicht erkennen, ob es eine Frage oder eine
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