Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
etwas von unserem Rendezvous versprach, machte mich aber auch nervös, weil ich nicht wusste, was genau er sich von unserem Rendezvous versprach. Ich dagegen hatte mich nach der Arbeit nicht einmal umgezogen, geschweige denn geduscht, sondern die Zeit bis zu unserer Verabredung vor dem Telefon verbracht und vergeblich die Geschichte von einer plötzlich aufgetretenen Magen-und-Darm-Erkrankung mit Hustenanfällen und Grippevirus einstudiert. Am Ende war es zu spät gewesen, Stefan noch anzurufen, und ich musste mich wohl oder übel der Herausforderung stellen.
Jetzt war ich allerdings überrascht, dass eine so hässliche Frau wie Mary einen so hübschen Sohn hervorbringen konnte, und vergaß darüber voll und ganz, dass ich mir vorgenommen hatte, nach zwei Cocktails und einem höflichen, aber eindeutigen Gespräch, das alles als Missverständnis entlarven sollte, wieder zu gehen. Ein Cocktail mehr konnte auch nicht schaden, ich wollte ja auch nicht unfreundlich erscheinen und außerdem … wann hatte ich das letzte Mal einem gutaussehenden Mann gegenübergesessen, ohne ihn interviewen zu müssen und ohne komplizierte Freundschaftsstrukturen in Gefahr zu bringen. Ich begann den Abend zu genießen. Und nach dem vierten Cocktail war mir auch egal, dass er sieben Jahre jünger war, immer noch bei seiner Mutter wohnte und seine Lieblingswörter krass und voll krass waren. Ihn schien es dagegen nicht zu stören, dass ich sieben Jahre älter war, meine eigene Wohnung hatte, dafür aber mit seiner Mutter zusammenarbeitete und kaum ein Wort von mir gab. Er lächelte mich ununterbrochen an, und ich ertappte mich dabei, wie ich versuchte, den Altersunterschied zu relativieren, indem ich ihn auf andere Altersstufen hochrechnete.
Der Altersunterschied wurde mir allerdings wieder jäh bewusst, als ich müde und reichlich angetrunken die Rechnung bezahlte, während Stefan vorschlug, seine Kumpels in der Live-Music-Hall zu treffen, um gemeinsam zu einer Party auf einem Hausboot am Rhein zu gehen. Ich lehnte dankend ab und versuchte noch, mich daran zu erinnern, wo ich mein Fahrrad abgestellt hatte, als Stefan schon ein Taxi herbeigerufen hatte und mir die Tür aufhielt. Offenbar war man als Dreiundzwanzigjähriger heute andere Lebensstandards gewohnt als zu meiner Zeit. Mir war es dann doch zu peinlich, mich mit dreißig noch auf mein verrostetes Fahrrad zu schwingen, und ich stieg brav ein.
Die Fahrt entwickelte sich zu einem regelrechten Gewissenskonflikt. Ich begann zu ahnen, was Stefan von diesem Abend erwartete, als ich ihn dabei erwischte, wie er unauffällig meinen Körper begutachtete. Andererseits hatte ich ihn in der Bar lange genug begutachtet, um mir darüber im Klaren zu sein, dass es nicht einfach werden würde, ihn vor der Haustür stehen zu lassen. Als er dem Taxifahrer schließlich zehn Euro in die Hand drückte und zusammen mit mir ausstieg, waren auch die letzten Zweifel an Stefans Absichten beseitigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass er mir nur die Treppe hochhelfen wollte, war äußerst gering.
Das Taxi fuhr weg, und ich hatte immer noch keine Entscheidung getroffen und kaum noch Zeit, die Pros und Contras abzuwägen. Also gut, er war erst dreiundzwanzig, aber er sah verdammt gut aus. Andererseits, er war erst dreiundzwanzig und daher bestimmt nicht auf eine lang andauernde Beziehung mit anschließender Hochzeit und Baby aus. Stefan schaute mich herausfordernd an und kam langsam auf mich zu. Vor lauter Übersprungshandlungen wusste ich nicht, ob ich zuerst nach meinem Schlüssel suchen oder meine Jacke zuknöpfen sollte, also tat ich beides und verlor dabei meinen Haustürschlüssel. Er hob ihn auf, hielt ihn mir vor die Nase und fragte: »Und, Lust auf Sex?«
Na ja, wenigstens war er sehr direkt, aber das erleichterte meine Entscheidung nicht unbedingt. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, er war dreiundzwanzig, hatte also schon genügend Erfahrungen gesammelt, um vielleicht gut im Bett zu sein, aber noch nicht so viele, um daraus eine abgenudelte Standardchoreographie zu machen. Und bei meinem radikalen Entzug in letzter Zeit war sein eindeutiges Angebot wirklich verlockend.
Also, was sprach eigentlich dagegen?
Ein einziges Contra, das sich beim besten Willen nicht wegrationalisieren ließ: Mary. Mit dem Sohn seiner Arbeitskollegin zu schlafen war schlimmer, als von der eigenen Mutter beim Sex erwischt zu werden. Bei dem Mitteilungsbedürfnis der beiden konnte ich mir lebhaft ausmalen, wie ihr Gespräch am
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