Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
zitierte. »Sie haben ja schon wieder eine Fahne. Wussten Sie eigentlich, dass Frauen schon bei einem Glas Wein täglich einen Leberschaden davontragen und dass achtzigtausend Menschen im Jahr an den Folgen ihres Alkoholkonsums sterben?«
»Na wunderbar, wenn man dazu noch die zwanzig Zigaretten berücksichtigt, die ich am Tag rauche, und die Schnittmenge von Raucherlungen und Alkoholtoten berechnet, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit sechzig tot bin, bei mindestens achtzig Prozent. Das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, mir einfach so die Wohnung zu kündigen!«
»Nein, das nicht. Aber die Tatsache, dass Sie mit Ihrer Miete im Rückstand sind, durchaus.«
Was? Ich hatte meine Miete nicht gezahlt? Offenbar war mein Dispo doch nicht so dehnbar, wie ich dachte. Das nahm mir natürlich eine wichtige Grundlage für meine Argumente, die sowieso noch sehr unausgereift waren.
»Aber das ist doch nur vorübergehend«, erwiderte ich kleinlaut.
»Immer mehr Mieter in Deutschland bleiben ihre Mieten schuldig. Wussten Sie, dass zwanzig Prozent der Bevölkerung … «
»Ja, ja. Ich kann ja nun nicht zu jedem Prozentsatz der deutschen Bevölkerung gehören.«
»Nein, dafür gehören Sie offenbar demnächst zu der wachsenden Zahl von Obdachlosen.«
Ihm machte es sichtlich Spaß, mir meine düsteren Zukunftsaussichten vor Augen zu führen. Hatte der Mensch denn überhaupt kein Taktgefühl?
»Wenigstens muss ich mir dann nicht mehr Ihre »Bild«-Zeitungsweisheiten anhören.«
Ich wollte wütend aus Eckis Laden stürmen, aber als wäre sein Brief nicht schon deutlich genug gewesen, rief er mir noch einmal nach: »Entweder Sie zahlen mir bis zum Ende der Woche die letzten beiden Monatsmieten nach, oder ich lasse Ihre Wohnung von der Polizei räumen! Verstanden? Und wenn Sie das nächste Mal vorbeikommen, ziehen Sie sich bitte etwas an, Sie vergraulen mir ja noch die ganze Kundschaft.«
Ich watete durch den Regen zurück zum Haus. Zwei Monatsmieten auf einmal, das bedeutete zwölfhundert Euro, das bedeutete fast meinen gesamten Nettolohn, den ich hoffentlich für meinen kurzen Ausflug in den Boulevardjournalismus trotz Kündigung bekommen würde. Ganz abgesehen davon, dass ich dann im nächsten Monat nichts essen und trinken durfte und für die nächste Monatsmiete irgendwelche Kunststücke in der Schildergasse aufführen musste. So etwas nannte man wohl Teufelskreis.
Ich kam zu dem Entschluss, dass es das Beste war, mich meinem Schicksal zu ergeben, wieder in die Wanne zu steigen und meinen Wein auszutrinken, aber die Haustür war zu. Und mein Schlüssel lag irgendwo in meiner Wohnung, wo er auf jeden Fall nicht hingehörte.
»Verdammte Scheiße! So ein Mist! Mist, Mist, Mist!«, fluchte ich vergeblich. Die Haustür blieb verschlossen, und auch das Warten im kalten Regen brachte keinen Erfolg. Bei dem Wetter ging einfach keiner freiwillig vor die Tür, und schließlich sah ich ein, dass spöttische Bemerkungen von Tim immer noch ein kleineres Übel waren als eine handfeste Erkältung. Eine Demütigung mehr würde nun auch nicht mehr wehtun. Ich klingelte bei ihm und huschte in Rekordgeschwindigkeit die Treppe hoch, in der Hoffnung, dass Tim mich nicht so schnell im fünften Stock erwartete und ich so ungesehen in meine Wohnung schlüpfen konnte. Aber auch diese Hoffnung war vergebens. Es war zwar nicht Tim, der mich oben erwartete. Dafür standen aber jede Menge andere Typen plötzlich im Hausflur. Na wunderbar! Eine Party. Die hatte mir heute zu meinem Glück noch gefehlt.
»Tim«, rief einer der Kerle in die Wohnung. »Deine Geburtstagsüberraschung ist da.«
Ein anderer, der schon ein paar Becher zu viel intus hatte, lallte mich grinsend an: »Was denn, trägt man bei euch keine Uniformen mehr?«
Er musste sich über seinen eigenen Witz totlachen. Und im Grunde hätte ich einfach den Mund halten und verschwinden sollen. Aber Mund halten war nicht gerade eine meiner stärksten Eigenschaften.
»Nein, wir sind jetzt auf Handtücher umgestiegen, nachdem sich ein paar unserer Kunden an unseren Uniformen schlimme Verletzungen zugezogen haben. Besonders an den empfindlichen Stellen … du weißt schon!«
»Echt jetzt?« Der Kerl starrte mich irritiert an. Aber bevor ich mich zurückziehen konnte, war Tim auf der Bildfläche erschienen, musterte mich kurz und fing nun auch an zu grinsen: »Hat man dir das Wasser abgestellt? Musst du zum Duschen neuerdings vor die Tür?«
Wenn er mit dieser Bemerkung nicht
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