Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
so nah an der drohenden Realität gewesen wäre, hätte ich fast darüber lachen können. Es gab Tage, an denen man sein Bett gar nicht erst verlassen sollte, und ich begnügte mich damit, wenigstens eine riesige Wasserlache vor Tims Wohnung hinterlassen zu haben, als ich mit platschenden Schritten den Flur überquerte. Die Tür zu meiner Wohnung war zum Glück noch offen, und ich war gerade noch froh darüber, das letzte Hindernis, das zwischen mir und meiner Badewanne stand, einigermaßen würdevoll gemeistert zu haben, als mich die nächste Hiobsbotschaft erwartete. Die Wohnung war stockduster. Ich drückte mehrmals auf den Lichtschalter im Flur. Nichts passierte.
»Gibt’s Probleme?«, mischte sich Tim wieder ungefragt ein, und am liebsten hätte ich mich heulend auf den Boden geworfen und gejammert: Eins? Hunderte!
Stattdessen drehte ich mich nur geschafft zu ihm um und schüttelte den Kopf. Tim deutete in meinen dunklen Flur und erklärte plötzlich ungemein hilfsbereit: »Vielleicht hat das ja etwas mit dem Techniker zu tun, der vorhin da war.«
Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Ganz sicher hatte das etwas mit dem Techniker zu tun, der vorhin da war! Die Stromrechnungen waren also auch nicht mehr abgebucht worden und die Mahnungen vermutlich ungelesen in dem Poststapel für Chris gelandet. Ganz klasse.
Tim bemerkte, dass mir allmählich nicht mehr zum Scherzen zumute war, und fragte: »Kann ich dir helfen?«
Wenn seine Freunde hinter ihm dabei nicht so blöde gegluckst hätten, hätte ich mich vielleicht sogar dazu durchringen können, seine Hilfe anzunehmen. Aber so erwiderte ich kurz angebunden: »Nein, ist nur ein Wackelkontakt.«
Tim zuckte mit den Schultern und sagte dann mit einem eindeutig zweideutigen Grinsen: »Ich würde dich ja gerne zu meiner Party einladen, aber wie es aussieht, hast du noch zu tun, oder?«
Was sollte das denn schon wieder heißen? Nur weil ich in einem durchnässten Handtuch durch den Hausflur wanderte, bedeutete es ja nicht, dass ich in meiner Wohnung gerade irgendwelche Sex-Orgien feierte. Dass man einfach nur baden war und in dem Eifer des Gefechts vergessen hatte, sich etwas anzuziehen, das konnte er sich natürlich nicht vorstellen. Ich funkelte ihn wütend an und sagte: »Ja, ganz genau. Ich muss nämlich noch meine Titelstory für den Spiegel überarbeiten, danke.« Dann knallte ich die Tür hinter mir zu und verbrachte den Rest des Wochenendes im Dunkeln.
SCHLECHTE
AUSSICHTEN
Stier! Tim war ein Stier. Zu dumm, denn das Horoskop für Stiere sah diese Woche ganz übel aus. Auch die nächsten Wochen versprachen keine Besserung, und es war fraglich, ob der Stier-Mann dieses Jahr überhaupt noch einmal auf einen grünen Zweig kommen würde.
Sie halten sich wohl für besonders schlau. Es darf Sie nicht wundern, wenn Ihr arrogantes Auftreten in Ihrer Umgebung Feindseligkeit und Rachegefühle hervorruft. Zeigen Sie Ihren Mitmenschen mehr Entgegenkommen, wenn Sie es sich nicht für immer mit ihnen verscherzen wollen.
Klosenberg wollte persönliche Horoskope. Das war ein Horoskop, und es war persönlich. Was wollten die Leser mehr? Und da ich schon mal dabei war, konnte ich auch gleich noch andere wichtige Nachrichten unters Volk bringen. Den Jungfrauen riet ich im Hinblick auf Özlems bevorstehende Hochzeit, ihr Glück nicht einfach so wegzuwerfen, da falsch verstandene Nächstenliebe und zu viel soziales Engagement schon viele Leute ins Verderben geführt haben . Frank, meines Wissens ein Steinbock, wies ich darauf hin, sich nicht zu sehr von Äußerlichkeiten beeindrucken zu lassen, da innere Werte mehr zählen als ein flacher Bauch und ein knackiger Hintern … und mir selbst prognostizierte ich einen brillanten Neueinstieg in das Berufsleben, nachdem anfängliche Missverständnisse mit Kollegen und Vorgesetzten ausgeräumt werden konnten .
Heute war ich extra früh ins Büro gegangen, weil ich einerseits Klosenberg beweisen wollte, dass ich besonders motiviert war. Andererseits wollte ich auch vor Mary da sein, denn ich war mir sicher, dass sie über das unschöne Ende meines Rendezvous mit ihrem Sohn schon Bescheid wusste. Ich machte mir einen Kaffee nach dem anderen und überlegte krampfhaft, wie ich die Ereignisse zwischen Stefan und mir so darstellen konnte, dass sie sich im Großen und Ganzen wie der Beginn einer wunderbaren, wenn auch platonischen Freundschaft anhörten.
Als Mary schließlich hereinspazierte, hatte ich mich für die harte, aber ehrliche
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