Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
als es ist. Das sind wichtige Leute. Ich ziehe nicht jedes Wochenende eine solche Einladung an Land.«
»Du siehst auch nicht jedes Wochenende deine Tochter.«
»Ja, aber dich kann ich immer sehen, Süße. Diese Party ist eine einmalige Gelegenheit für mich. Ich habe deiner Mom bereits gesagt, dass wir den Termin verschieben müssen.«
»Du willst lieber mit deinen Freunden zusammen sein als mit mir.«
»Das stimmt doch gar nicht.«
Er legte ihr die Hand auf den Arm, doch Em fuhr zurück. Dieses Treffen entwickelte sich ganz und gar nicht so, wie sie es sich ausgemalt hatte. Den ganzen Weg hierher hatte sie sich ein liebevolles Wiedersehen vorgestellt, bei dem ihr Dad sie begeistert in die Arme schloss. Doch all die schönen Bilder davon, wie sie beide zusammenleben und jede Menge unternehmen würden, waren gerade in tausend Stücke zersprungen. Er war genau wie alle anderen – ein Lügner. Er liebte sie nicht. Er hatte sie ersetzt … durch Freunde.
Em wich vor ihrem Vater zurück und ergriff Drews Hand. Der wusste sofort, was sie jetzt brauchte, zog Em an seine Brust und umarmte sie. Wenigstens er liebte sie. »Ich fürchte, es war ein Fehler, hierherzukommen«, sagte sie.
Ihr Dad nickte langsam. »Wenn du vorher angerufen hättest, hätten wir etwas planen können. Vielleicht ein andermal, in Ordnung?«
»Klar«, erwiderte Em.
»Aber nicht an Thanksgiving. An dem Wochenende habe ich bereits etwas vor.«
Em erstarrte. Seine Worte verschlugen ihr den Atem. Thanksgiving war ein Familienfest, aber ihr Dad wollte es lieber mit jemand anderem verbringen. »Okay.« Sie nickte wie betäubt.
Ihr Vater fasste sie lächelnd am Kinn. »Tut mir leid, Süße, ich werde in einer halben Stunde abgeholt und muss noch duschen. Ruf doch deine Mom an und geh irgendwo frühstücken, okay?«
»Klar, tolle Idee.«
Er küsste sie auf die Wange. »Ruf mich nächste Woche an, und wir machen etwas aus, ja?«
»Ja.«
Und dann war er verschwunden, über den Flur in Richtung Badezimmer. Ohne ein weiteres Wort, ohne sie auch nur zur Tür zu begleiten.
Drew drückte Em einen Kuss auf den Scheitel. »Ist nicht ganz so gelaufen, wie du’s dir vorgestellt hast, oder?«
»Nein, überhaupt nicht.«
»Das tut mir wirklich leid für dich.«
»Es ist nicht deine Schuld.«
»Nein, aber ich fühle mit dir, Süße. Ich würde dir so gern den Schmerz nehmen und alles für dich in Ordnung bringen. Du verdienst es nicht, wie Dreck behandelt zu werden. Verflucht noch mal, man muss diese Welt endlich wachrütteln und ihr zeigen, was alles falsch läuft. Ich kann dir dabei helfen, Em, wenn du mich lässt.«
Em hatte das Gefühl, in einem tiefen Brunnen mit eiskaltem schwarzen Wasser zu ertrinken. Verzweifelt kämpfte sie dagegen an, unterzugehen. »Alle sind scheinheilige Lügner.«
»Jeder Einzelne von ihnen«, pflichtete Drew ihr sanft bei.
»Und alles wird besser, wenn es vorbei ist? Wir werden wirklich an einem besseren Ort sein?«
»Aber natürlich, Süße. Wir kommen ins Nirwana, Em. Ein schöner Ort, an dem es keinen Schmerz gibt. Nur ewigen Frieden. Ich bin bereit, und du? Das hier« – Drew machte eine ausladende Geste – »ist doch einfach zum Kotzen.«
Er zog sie zum Flurschrank. »Ich wette, dass dein Dad uns sogar helfen kann. Auf seine Weise.« Drew öffnete die Schranktür und griff nach oben.
Ems Herz schlug im wilden Rhythmus einer Buschtrommel, als Drew ein Jagdgewehr, eine silberglänzende Pistole und einige Schachteln Munition hervorholte. »Das Messer, mit dem wir geübt haben, würde reichen, aber eine Kugel ist noch sicherer.«
»Woher weißt du, wo mein Dad die Waffen aufbewahrt?«, fragte Em.
»Die Stimmen haben es mir geflüstert.« Drew lächelte sie an. »Wenn du gut aufpasst, werden sie auch zu dir flüstern, Em. Kannst du sie hören?«
Seltsamerweise konnte sie es. Em hörte leise, süße Wiegenlieder, bei denen sie die Augen schloss. Was Drew ihr in Aussicht stellte, klang so befreiend, so tröstlich. Es enthielt das Versprechen, allen Schmerz von ihr abzuhalten – und danach sehnte sich Em verzweifelt.
Sie gab jeden Widerstand auf und ließ sich in die dunkle Tiefe des Brunnens ziehen. »Ich bin bereit.«
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16
E r musste nicht anwesend sein, um seine Mission zu vollenden, aber wenn er selbst zusah, wie alles dem unausweichlichen Höhepunkt entgegensteuerte, begann regelmäßig das Blut in seinen Adern zu brennen. Drusus blickte in Emilys Gesicht, als sie vom Motorrad stieg. »Bleib
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