Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
Lachlan. »Gier, die eine der Todsünden ist, und das Verbrechen, mich selbst umgebracht zu haben.«
Rachel fuhr auf. »Du hast Selbstmord begangen? Warum?«
Sein ruhiger Blick begegnete dem ihren. »Meinst du nicht, dass die Schuld am Tod meiner Frau und meiner Kinder Grund genug ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Du bist nicht der Mann, der sich vor seiner Verantwortung feige davonstiehlt. Dich mit Selbstvorwürfen martern? Natürlich würdest du das! Vor Kummer wahnsinnig werden und Tormod umbringen? Und ob! Aber dich selbst töten? Nein, das bist nicht du.«
Lachlan streckte die Hand aus und umfasste Rachels Kinn. »Dein Glaube an mich ist erstaunlich.«
Sie lehnte sich an ihn. »Die Geschichte ist noch nicht zu Ende, oder?«
»Nein, ist sie nicht.« Als sie ihn mit dem Ellbogen aufmunternd anstupste, fuhr er fort: »Nachdem Tormod meine gesamte Familie ausgelöscht hatte, steckte er das Herrenhaus in Brand und überließ mich meinen Schuldgefühlen. Es begann zu regnen, und zuerst dachte ich, dass die Stimme, die ich hörte, nichts weiter als das Flüstern des Regens auf der Festungsmauer war. Aber nach einer Weile erkannte ich, dass das schwache Geräusch von meinem jüngsten Bruder kam, einem Mönch, der auf dem Pflaster des Hofs lag und sein Blut in den Schmutz vergoss. Ich ging zu ihm und hielt seine Hand. Ich hoffte, ihm so das Sterben zu erleichtern.« Lachlan erinnerte sich lebhaft. Schonungslos. Er hatte wie ein Kind geweint und sich vor Reue fast übergeben, während er seinen Bruder um Vergebung anflehte. Und sein Bruder, der ein besserer Mensch gewesen war, als Lachlan je zu werden hoffte, hatte sie ihm gewährt. »Als er sagte, dass er den Tod kommen sehe, war ich bereits derart entrückt vor Verzweiflung, dass ich flehte und bettelte, meinen Bruder zu verschonen, und dafür sogar mein Leben anbot. Niemand hätte überraschter sein können als ich, als sie mir tatsächlich erschien und in den Handel einschlug.«
»Warte mal. Der Tod ist eine Frau?«
»Ja.« Er lächelte über Rachels missmutiges Gesicht. »Aber um das Geschäft abzuschließen, musste ich sterben. Ich kann nicht sagen, dass ich keine Zweifel an meiner Entscheidung hatte, aber meinen Bruder verbluten zu sehen, erleichterte es mir um einiges. Ich nahm mein Jagdmesser und stieß es mir ins Herz.«
»Einfach so?«
Lachlan nickte. »Einfach so.«
»Hat es weh getan?«
»Mehr, als du dir vermutlich vorstellen kannst.«
Rachel erschauderte.
»Aber dieser Schmerz war nichts verglichen mit der Pein, die ich fühlte, als mir klarwurde, dass ich meinen Bruder nicht gerettet hatte.«
Rachel holte hörbar Luft. »Du wurdest betrogen?«
»Gewissermaßen. Mein Bruder starb nicht an jenem Tag oder an den Wunden, die ihm damals zugefügt worden waren. Er wurde wieder gesund, kehrte der Kirche den Rücken, heiratete und bekam selbst Kinder. Aber die Herrin des Todes zeichnet alle, die ihr geweiht sind, mit einem Mal, das nur Seelenwächter sehen können, und von dem Augenblick an, da ich ein Wächter wurde, sah ich es – das Mal auf seiner Wange. Ich wusste, dass ich eines Tages dazu berufen sein würde, seine Seele zu holen. Ich habe dagegen angekämpft, wich keinen einzigen Tag von seiner Seite und weigerte mich, die Augen zu schließen oder zu schlafen. Aber am Ende, trotz all meiner Anstrengungen, forderte die Herrin des Todes doch seine Seele.« Lachlan hielt inne und dachte an eine andere weiße Spirale.
»Du hast dein Bestes gegeben«, sagte Rachel mitfühlend. »Es ist nicht deine Schuld, dass sie dich betrogen hat.«
»Rachel, ich –«
»Wenigstens durfte er sich verlieben und Kinder bekommen. Dank dir bekam er die Chance, noch ein wenig zu leben.« Lachlan sagte nichts und starrte sie nur an. »Ich verstehe die Beweggründe für deine Tat«, sagte sie und legte sich wieder neben ihn. Sie umarmte ihn fest. »Du bist also nicht perfekt. Willkommen im Club.«
»Was, bist du es etwa auch nicht?«, neckte er, während er versuchte, seinen ganzen Mut zusammenzunehmen.
»Nein.« Sie fuhr erneut mit den Fingern durch das Haar auf seiner Brust. »Ich habe meinen Vater umgebracht.«
Lachlan blinzelte erschrocken. »Bitte?«
»Nun ja, nicht direkt. Aber ich hätte es genauso gut selbst machen können.«
Er entspannte sich. »Was ist geschehen?«
»Ich war noch ein Kind von elf Jahren, als bei meiner Mutter Multiple Sklerose diagnostiziert wurde. Das veränderte alles. Um näher beim Krankenhaus zu sein, verkaufte mein Vater
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