Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
Langschwert ruhig in den Händen haltend – mit jedem Zoll ein urwüchsiger schottischer Krieger. Obwohl Rachel bei dem Gedanken an eine Zeitreise nicht ganz wohl zumute war, beschleunigte sich ihr Puls mehr denn je, als sie Lachlan in seiner angestammten Umgebung sah.
»Ich habe Gottes Gnade angerufen und um einen gerechten Kampf gebeten«, antwortete Lachlan ruhig.
»Gottes Gnade? Du bist kein Engel,
baro,
ganz und gar nicht. Warum sollte dir der alte Mann helfen?«
»Einfach, weil ich Ihn darum gebeten habe.«
Drusus schnaubte. »Und warum hast du diesen Ort und diese Zeit gewählt?«
»Man sollte meinen, dass das auf der Hand liegt. Dies ist der Tag, an dem sich die Campbells auf dein Drängen hin durch das Wassertor Einlass verschafft haben, der Tag an dem meine Frau und meine Kinder umgebracht wurden. An dem du meinem Bruder ein Schwert in den Leib gestoßen hast, um seinen toten Händen das Linnen zu entreißen. An diesem Tag wurden unsere elenden Existenzen miteinander verknüpft. Es schien mir nur angemessen, sie auch an diesem wieder voneinander zu lösen.«
»Und wie willst du das zustande bringen?«
»Gott hat mir die Gnade gewährt, dir als Sterblichem im Kampf gegenüberzutreten, Drusus. In diesem Moment bist du kein Dämon, und ich bin kein Seelenwächter. Wir sind einfach nur zwei Männer.«
Ein unbehaglicher Schauer zog über Rachels Rücken. Sterblich bedeutete, dass Lachlan Drusus töten konnte. Das war natürlich gut. Aber es bedeutete auch, dass Lachlans Wunden nicht mehr mit übernatürlicher Schnelligkeit heilen würden. Rachel sah an sich hinab, und ihr Mut sank, als sie bemerkte, dass sie die Handtasche verloren hatte. Ein weiteres Mal konnte sie Drusus also nicht ablenken.
Drusus grinste Lachlan an. »Unsterblich oder nicht, ich werde dir primitivem Schotten trotzdem das Herz aus der Brust schneiden. Du vergisst, dass ich vor meinem Tod der gefürchtetste Zenturio im römischen Heer war. Meine Siege wurden in Liedern besungen. Ich habe meine Feinde reihenweise niedergemäht und mich an ihrem Blut ergötzt.«
»
Du
vergisst, dass du im zarten Alter von zweiundzwanzig gestorben bist«, entgegnete Lachlan. »Du bist nicht so stark und zäh, wie du es gern hättest. Wenn ich nicht irre, wurdest du von einem Politiker getötet, von Pontius Pilatus, nicht wahr?«
Drusus’ Grinsen erstarb, und in seinen Augen brannte nun abgrundtiefer Hass. »Dieser feige Schwachkopf! Ich habe ihn gewarnt, dass es einen Märtyrer aus dem Juden machen würde, wenn er ihn opfert, aber hat er auf mich gehört? Nein. Indem er sich die Schuld an Jesu Tod von den Händen wusch, schlug er auch meinen Rat aus. Viele machen den Hohen Rat für die folgenden Ereignisse verantwortlich, aber ich kenne die Wahrheit. Pilatus war ein Feigling, ein Mann, der seine Machtposition missbrauchte. Ich meldete sein falsches Urteil dem römischen Senat, und Pilatus – nichtsnutziger Versager, der er war – ließ mich dafür umbringen. Aber nicht auf dem Schlachtfeld, sondern mit Gift!«
»Dann hast du Glück«, erwiderte Lachlan. »Dies ist deine Chance, wie ein Krieger zu sterben. Mit einer Klinge im Herzen und einem Schrei auf den Lippen, statt deine eigene Kotze zu schlucken.«
Rachel schnitt eine Grimasse. Männer und ihre Ausdrucksweise! Aber sie passte zu der Art, wie dieser Kampf ablaufen würde. Es würde kein sorgfältig choreographierter Tanz wie auf der Kinoleinwand werden, bei dem man sich mit stumpfen Klingen höflich an Vereinbarungen hielt. Beide Kontrahenten würden Wunden davontragen, beide Kontrahenten würden bluten – und einer am Ende zu Boden fallen und nie wieder aufstehen. »Lachlan.« Er sah zu ihr. »Ich liebe dich!«
Drusus lachte. »Sie verabschiedet sich, MacGregor. Sie weiß genau, wie diese Schlacht ausgehen wird.«
»Nein!« Rachel funkelte den Jüngeren an, die Fäuste zornig geballt. »Er wird gewinnen.« Dann kehrte ihr Blick zu Lachlan zurück. Rachels Augen ließen tief in ihr Herz schauen. »Aber ich weiß nicht, was sein wird, wenn es so weit ist … wo wir uns am Ende befinden oder ob ich dich je wiedersehen werde. Nach allem, was geschehen ist … möchte ich, dass du weißt, was ich fühle.«
Lachlan spielte Rachels Angst nicht herunter. Ernst und ohne zu lächeln, fuhr er ihr mit dem schwieligen Daumen über die Oberlippe und betrachtete ihr Gesicht, als wollte er es sich genau einprägen. »Ich danke –«
Ein Schatten glitt über seinen Arm, und Lachlan stieß Rachel
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