Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
küsste ihn nachdrücklich auf den Mund und verließ zerzaust und mit geröteten Wangen das Apartment.
Lachlan schloss die Tür und sank, nur bekleidet mit einer knielangen grauen Baumwollhose, auf den gefliesten Boden. Sein Herz drohte zu zerspringen, aber das war erst der Beginn der Qualen, das wusste er. Wenn er seine nächste Begegnung mit Drusus irgendwie überlebte, würde er einundneunzig Jahre damit zubringen müssen, sich an diesen Tag zu erinnern. Sich an Rachel zu erinnern. Er sah auf seine Brust hinunter, auf die immer blasser werdenden Wunden der letzten Nacht, die düsteren Andenken an seine vernichtende Niederlage. Weder das neue Schwert noch sein derzeitiges Repertoire an Zaubern hatte ausgereicht, um über den elenden Mistkerl zu triumphieren. Aber etwas, das Drusus erwähnt hatte, rückte einen Sieg dennoch in den Bereich des Möglichen. Das
Buch Gnills.
Lachlan kam auf die Füße und kehrte in sein Schlafzimmer zurück, ein Schlafzimmer, das nach Sex roch – und nach Rachel. Er gab der Versuchung nach, beugte sich über die Kissen und atmete tief ein, sog Rachels erdigen Duft in seine Lungen, um ihn dort einen Moment lang einzuschließen. Dann ließ er den Atem langsam wieder entweichen, ging ins Badezimmer und stellte die Dusche an. Auf kalt.
Eine Stunde später parkte er den Audi in Stefans staubiger Einfahrt und stieg aus. Die Schmiede glühte weiß von der Hitze der Esse, die in Betrieb war, doch in dem kleinen Holzgebäude fand sich keine Spur von Stefan. Misstrauisch wandte sich Lachlan der Wohnstatt des Magiers zu. Nicht ein einziges Mal in den sieben Monaten, die er den Roma nun kannte, hatte Stefan ihn in sein Haus eingeladen. Wobei
Haus
natürlich ein sehr dehnbarer Begriff war. Eigentlich war dieses hier eher die moderne Entsprechung der alten Roma-Planwagen – ein großer braunweißer Wohnauflieger mit Seitenauszügen. Die Blenden aus Zedernholz, die die Räder verdeckten, und der gepflegte Blumengarten konnten den Eindruck, dass es sich hier lediglich um ein Provisorium handelte, nicht übertünchen.
Lachlan betrat den Steinpfad zwischen Beeten mit pinkfarbenen und weißen Blumen, stieg die Stufen hinauf und klopfte an die dünne Metalltür. Wie konnte man nur tagein, tagaus in solch beengten Verhältnissen leben? Eine Frau mit kurzem schwarzem Haar und faszinierenden dunkelbraunen Augen öffnete. Es war Stefans Frau Dika. Lachlan hatte sie bereits das eine oder andere Mal gesehen. Sie lächelte und trat dann beiseite, um ihn einzulassen.
»Er ist hinten«, sagte sie und wies zum rückwärtigen Teil des Wohnmobils, der durch einen purpurnen Samtvorhang abgetrennt war. Die Inneneinrichtung war erstaunlich luxuriös – an den Wänden befanden sich Ahornschränke, die Möbel im Wohnzimmer waren aus feinem Leder und die Armaturen in der Küche aus Edelstahl. Eine Hackfleischsoße köchelte in einem großen Topf auf dem Herd und erfüllte den Raum mit würzigem Duft.
»Störe ich?«
»Nein, er erwartet Sie«, antwortete Dika.
Lachlan ging nach hinten durch. Doch als er den Vorhang zur Seite schob, entglitt ihm der schwere Stoff fast wieder. Der Seelenwächter rang kurz um seine Fassung. Keine glatten Fensterscheiben, kein beigefarbener Teppich, keine cremefarbenen Wände. Stattdessen feuchte Steinwände, die von Unmengen tropfender Kerzen erhellt wurden. Massive Eichentische, bedeckt mit staubigen, ledergebundenen Folianten und einer Fülle kleiner irdener Krüge, die mit seltsamen Namen beschriftet waren, standen im Raum. Der schwere Geruch von Moder und fettigem Talg schwängerte die Luft, und zwar in einer mittelalterlichen Authentizität, an die sich Lachlan nur zu gut erinnerte. Doch weit mehr als die Ausstattung verwunderte ihn die Größe des quadratischen Raums. Mit einer Seitenlänge von geschätzten 4,50 Metern passte er nicht gerade in ein Wohnmobil, das zwölf mal drei Meter maß.
Stefan hob den Blick von dem Buch, in dem er las, und runzelte die Stirn über Lachlans schwarze Jeans und sein hellgraues Hemd. »Du hast das Priestergewand abgelegt.«
Lachlan überwand seine Verblüffung und zuckte die Achseln. »Es war nicht mehr hilfreich.«
»Aber hast du es nicht getragen, seit dein Bru–«
»Ich bin nicht hier, um über die Vergangenheit zu reden. Du hast gesagt, dass es keinen Weg gibt, um einen Verlockungsdämon zu besiegen, richtig?«
Stefans Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Ja.«
»Warum hat mir dann die Herrin des Todes versichert, dass
Weitere Kostenlose Bücher