Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
Uniform einer Reinigungsfirma stand vor ihm.
»Ich soll hier etwas abholen.«
Lachlan musterte den dünnen, etwa 1,50 Meter großen Burschen einen Moment lang, dann ging er zum Schrank im Flur und holte eine Anzughülle heraus. Dies mochte eine der größten Fehlentscheidungen seiner gesamten Existenz sein. Sie fühlte sich trotzdem richtig an. Lachlan händigte dem Mann die drei Priestergarnituren aus. »Sorgen Sie dafür, dass sie pfleglich behandelt werden. Sie haben einen ideellen Wert.«
»Klar, kein Problem. Wir behandeln sie wie rohe Eier.« Der Bote schwang sich den Kleidersack über die Schulter, eilte den Flur entlang und verschwand die Treppe hinunter. Lachlan versuchte, den sorglosen Umgang mit seinem Eigentum zu ignorieren, trat aus dem Apartment und schloss hinter sich ab.
Die Fahrt zu Anselm Bruckers Haus in Los Altos dauerte nur fünfundzwanzig Minuten. Da Lachlan etwas früh dran war, parkte er in einiger Entfernung und studierte das große zweigeschossige Haus, um den besten Zugang zu finden – erst über das Garagendach und dann zum rückwärtigen Schlafzimmerfenster, so wie es aussah. Keine Alarmanlage, kein Wachhund, ein einfacher Auftrag. Lachlan überquerte mit entspanntem Schritt die dreispurige Straße und schlenderte zum Vordereingang. Es war immer ratsam, so zu tun, als ob man hierher gehörte. Von den Verandastufen aus kletterte er lautlos auf die Garage und ging auf den Dachplatten in die Hocke, um nicht gesehen zu werden. Vier schnelle Schritte an der rosafarben getünchten Fassade entlang, und er war um die Ecke außer Sichtweite. Das Fenster auf der Rückseite stand weit offen. Die Vorhänge bauschten sich in der milden Brise. Direkt neben dem Fenster des großen Schlafzimmers saß ein gebrechlicher, grauhaariger Mann in einem Rollstuhl. Auf seinen Beinen lag eine Wolldecke. Er lächelte, als Lachlan sich hereinschwang. »Sie kommen aber früh.«
Lachlan zog den langen schwarzen Mantel aus und legte ihn aufs Bett. Es überraschte ihn immer wieder, dass die Sterbenden sofort wussten, wer er war. Er nahm die Hand des alten Mannes. Sie war dünn und fühlte sich kalt an, wie erlesenes Porzellan. »Ihre Bitte, ein wenig über den Weg nach drüben zu sprechen, wurde Ihnen gewährt. Oder störe ich Sie? Möchten Sie lieber noch etwas Zeit für sich haben?«
»Nein, nein, ich bin bereit zu gehen.«
Lachlan betrachtete das faltige Gesicht mit den verblassten blauen Augen und fragte: »Wirklich?«
»Mehr, als Sie ahnen. Ich hatte ein erfülltes Leben voller erstaunlicher und wunderbarer Erlebnisse. Außerdem ist meine Frau Marta letztes Jahr um die Weihnachtszeit gestorben.«
»Sie freuen sich darauf, ihr zu folgen?«
»O ja. Ich habe ihr gesagt, dass es nicht lange dauern wird.« Er beugte sich vor und flüsterte verschwörerisch: »Sie war seit einer halben Ewigkeit nicht allein fort, und ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen macht.«
»Zweifellos hat ihr das den Übergang erleichtert.«
Anselm lächelte. »Sie wartet dort oben auf mich.«
Unbehaglich sträubten sich Lachlans Nackenhaare. »Ich fürchte, ich kann nicht garantieren –«
»Oh.« Der alte Mann kicherte. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich komme in den Himmel. Gott selbst hat es mir gesagt.«
»Tatsächlich?«
»Ja, im September, als ich den Schlaganfall hatte, der mich an diesen dummen Rollstuhl fesselte. Der Tod hatte mich bereits am Schlafittchen, aber wissen Sie, ich habe den Herrn gefragt, ob wir nicht noch warten können, bis meine Urenkelin geboren ist. Er war einverstanden. Nicht viele Menschen sehen ihre Urenkel zur Welt kommen.«
»Das stimmt.«
Anselm runzelte die Stirn. »Sie glauben mir nicht.«
»Es ist nicht so, dass –«
»Wie heißen Sie, junger Mann?«
Lachlan verkniff sich ein Grinsen. Konnte man 439 Jahre wirklich noch als jung bezeichnen? »Lachlan MacGregor.«
»Beten Sie, Lachlan?«
»Manchmal.«
»Glauben Sie, dass Er Ihnen zuhört?«
Eine gute Frage. Viele von Lachlans Gebeten waren über die Jahre unbeantwortet geblieben. »Manchmal.«
Der alte Mann griff unter die Decke und holte ein ledergebundenes Buch mit vielen Eselsohren hervor. Seine Hände zitterten, als er die erste Seite aufschlug. »In meiner dunkelsten Stunde hat mir mein Großvater diese Bibel geschenkt. Als er sie mir gab, sagte er: ›Im Glauben geht es nicht darum, Gott zu finden, Anselm. Wir wissen, wo Er ist. Im Glauben geht es darum, sich selbst zu finden.‹« Anselm sah Lachlan an. »Er hört immer
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