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Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman

Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman

Titel: Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette McCleave
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zu.«
    »Sie klingen sehr sicher. Woher wollen Sie das wissen?«
    »Weil Er mir stets antwortet.« Anselm hustete zweimal, hielt sich zitternd ein Taschentuch an die Lippen und lehnte sich dann erschöpft zurück. »Natürlich gefallen mir Seine Antworten häufig nicht, wie Sie sich vorstellen können. Immerhin beschließt Er manchmal, mir nicht zu helfen oder mich sogar über glühende Kohlen laufen zu lassen. Aber durch alles, was mir jemals widerfahren ist, bin ich ein besserer Mensch geworden. Wann immer Gott mich geprüft hat, geschah das aus einem guten Grund.«
    Lachlan dachte an den Tod seiner Familie und widersprach dem alten Mann stumm.
    »Nehmen Sie zum Beispiel den Tod meiner Marta«, fuhr Anselm fort. »Krebs. Keiner von der Sorte, die relativ schnell und schmerzlos verläuft. O nein, Marta hatte Darmkrebs, und er fraß sie von innen heraus auf. Sie fragen sich jetzt vielleicht, wie ich weiter an Gott glauben kann, wenn ich meine geliebte Frau auf diese Art sterben sehen musste.«
    Lachlan sagte nichts. Aber er stellte sich die Frage tatsächlich.
    »Weshalb lässt Er sie derart leiden? Besonders an unserem Lebensabend, wenn wir daraus wahrscheinlich gar nicht mehr viel lernen können?«
    Ja – warum?
    »Ich sage es Ihnen: Weil das Ende unseres Lebens auf der Erde nicht das Ende unserer Existenz bedeutet. Wir gehen nur in eine andere Daseinsform über, sobald wir diese hier hinter uns lassen. Wir wachsen weiter, wir lernen weiter. Trotzdem ist es eine andere Daseinsform. Deshalb will Gott, dass wir etwas begreifen: Gleichgültig, wie hart, schmerzlich oder kurz das Leben ist – die Zeit, die wir auf der Erde verbringen dürfen, ist ein Segen. Nur hier können wir Dinge berühren, riechen, fühlen. Dort oben nicht mehr.«
    »Sie meinen, Er will, dass wir uns über den Schmerz noch freuen?«
    »Das habe ich nicht gesagt«, erwiderte Anselm mit erhobenem Zeigefinger. »Genau genommen habe ich das Gegenteil gesagt. Er zeigt uns den Schmerz, damit wir uns über alles andere freuen können. Selbst über das Langweilige und Alltägliche. Darf ich Sie fragen, ob Ihnen im Leben einmal etwas sehr Schlimmes widerfahren ist?«
    Lachlan atmete tief durch. Dieses Gespräch wurde ihm ein wenig zu persönlich. Trotzdem antwortete er: »Ich verlor meine Familie – meine Frau und meine drei Kinder.«
    Anselm sah ihn teilnahmsvoll an. »Das tut mir sehr leid für Sie. Aber seien Sie ehrlich: Genießen Sie die Erinnerungen an die schönen Zeiten, die Sie mit Ihrer Familie hatten, nun nicht viel mehr? Sind Ihre Erinnerungen nicht viel intensiver und schärfer?«
    O ja. Manchmal waren sie schrecklich scharf. »Vielleicht mag der Schmerz für mich wertvoll sein«, gab Lachlan zu. »Doch wie nutzt er einem Säugling, einem unschuldigen Kind?«
    Anselms vom Rheuma gezeichnete Augen fixierten seine. »Ich war Arzt, bevor meine Finger zu krumm wurden, um präzise zu arbeiten, und ich kann Ihnen sagen: Mir sind viele Kinder begegnet, deren Weisheit die der meisten Erwachsenen bei weitem übertraf. Das Leiden macht uns alle stärker, selbst Kinder. Sie müssen Gott vertrauen, Lachlan. Er schickt einem Menschen, ganz gleich ob Kind oder Erwachsenem, nicht mehr schmerzliche Erinnerungen, als er oder sie ertragen kann.«
    »Ihr Glaube verblüfft mich«, gestand Lachlan. »Aber ich teile ihn nicht.«
    »Vielleicht noch nicht. Aber wenn die Zeit gekommen ist, sollten Sie sich in Gottes Hände geben. Vielleicht werden Sie eine Überraschung erleben.«
    Während Lachlan dem alten Mann unverwandt in die Augen blickte, sah er, wie der erste Schlag ihn traf, sah die schwarze Flut über ihn hereinstürzen und sich dann wieder zurückziehen. Er drückte Anselms Hand. Der alte Mann erschlaffte in dem Rollstuhl. Sein Kopf fiel zurück, das graue Haar geriet durcheinander. Nur die eine Hälfte des Gesichtes zeigte noch eine Regung – Hoffnung und Angst waren gleichermaßen darin zu lesen. Die Spirale auf Anselms linker Wange glühte schwach.
    »Ich wusste, dass das Ende nahe ist«, nuschelte er. »Und ich habe dafür gebetet, dass Sie mich holen kommen.«
    Lachlan runzelte die Stirn. »Sie kennen mich doch gar nicht.«
    »Ich kenne Sie sehr wohl«, flüsterte der alte Mann. »Sie sind ich. Ich vor vierundsechzig Jahren, gleich nach dem Krieg. Gleich nach dem Autounfall, der meine erste Frau und meine Zwillinge das Leben gekostet hat.« Lachlan beugte sich näher zu ihm. Anselms nächste Worte waren kaum noch zu hören. »Ich saß am

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